Die Mamarechtlerin
Sandra Runge im Interview Part II
Unser MUMMY MAG Paper No 6 hat das Thema ‘Play’. Natürlich findet ihr darin wieder jede Menge Inspiration und Informationen rund um’s “Spielen”, aber es darf auch kein Mummy Interview fehlen. Sandra Runge kann beruflich wie privat viel dazu beitragen. Wir haben sie bereits einmal interviewt als sie in der Planungsphase eines neuen Projektes mit Kindern war. Der Coworking Toddler ist seit 2016 eröffnet und Sandra hat alle Hände voll zu tun, all ihre Projekte und Kinder unter einen Hut zu bringen. Und im Interview springen noch viele interessante rechtliche Informationen für Euch raus…
Da wir das ganze Interview nicht abdrucken konnten, kommt hier noch einmal die komplette Fassung, die ihr im Ansatz bald in unserem nächsten MUMMY MAG Paper No 6 nachlesen könnt!
Manchmal ist das Schicksal, der beste Wegweiser im Leben. Sandra Runge (39) hat nach der Rückkehr aus ihrer ersten Elternzeit ihren Job verloren und ist seitdem erfolgreich selbstständig unterwegs. Die Juristin mit eigener Kanzlei ist Mutter von zwei kleinen Jungs, hat inzwischen eine eigene Kita mit innovativem Konzept gegründet und ein Buch geschrieben. Nebenbei betreibt sie einen Blog rund um rechtliche Themen zum Elternsein. Man kann sagen Sandra Runge ist die Mutterrechstverfechterin, die wir so dringend brauchen und die uns gleichzeitig noch einen Kita- und Arbeitsplatz stellt. Kaum zu glauben, das die schöne schlaue Brünette auch noch so eine sympathische und liebevolle Mutter und Frau ist…
Liebe Sandra, Du bist Mama von zwei kleinen Jungs (3 und 6 Jahre), arbeitest als Rechtsanwältin, hast gleichzeitig Deutschlands erste Kita mit Coworking Space gegründet, hast gerade ein Buch geschrieben und betreibst den Blog smart-mama.de – wie geht es Dir?
Puh, tatsächlich bin ich gerade ziemlich am Limit. Es ist schon verrückt, dass ich jahrelang Jobs gemacht habe, die mir kaum Spaß machten und plötzlich offenbart sich ein spannendes Herzens-Projekt nach dem anderen – dazu noch in einer Phase, in der mich die Kinder sehr stark brauchen.
Du bist bei Deinem ersten Sohn in Anstellung nach seinem ersten Lebensjahr in den Job zurückgekehrt, bei Söhnchen Nummer zwei schon ein halbes Jahre früher. Hatte das mit Deiner dann bestehenden Selbstständigkeit zu tun? Was hat sich besser angefühlt?
Der frühe Einstieg nach dem zweiten Kind hat definitiv etwas mit meiner Selbständigkeit zu tun. Als Selbständige kann man nicht so lange pausieren, sonst ist man schnell weg vom Fenster. Für mich hat sich die Selbständigkeit von Anfang an besser angefühlt: Die freie Wahl des Arbeitsortes, die flexible Arbeitszeiten, selbstbestimmtes Arbeiten – das empfand ich sofort als eine große Erleichterung und Entlastung für die ganze Familie.
Wie kam es dazu, dass Du Dich selbstständig gemacht hast?
Am ersten Tag nach der Elternzeit mit meinem älteren Sohn habe ich leider meinen Job verloren, eine ganz gruselige Geschichte um die es auch in meinem Buch gehen wird, das im nächsten Jahr erscheint. Danach wollte ich nicht mehr in eine Festanstellung zurück. Eine eigene Kanzlei hatte ich schon damals neben meinem Job in der Rechtsabteilung gegründet und da lag es natürlich auf der Hand diese weiter auszubauen.
Als Juristin ist Dein Steckenpferd in all Deinen “Jobs” das Recht von Müttern und Kindern. Wie kam es, dass Du Dich als Arbeitsrechtlerin so auf Mütter spezialisiert hast. Ist der Bedarf in Deutschland einfach so groß und gibt es da vielleicht sogar rechtliche Problemfelder?
Nachdem ich Mutter wurde, habe ich schnell gemerkt, dass der Behörden- und Gesetzesdschungel rund um Elternzeit, Elterngeld und Wiedereinstieg nur schwer zu durchdringen ist – selbst als Juristin ist es mir anfangs schwer gefallen, mich in dieser speziellen und komplizierten Materie zurecht zu finden. Schon nach der Geburt meines großen Sohnes gab es Pläne ein Buch zu schreiben, doch ich startete mit dem Blog. Seitdem erreichen mich viele Anfragen zu vielen Themen rund um das Elternsein. Ein großer Schwerpunkt meiner Beratungstätigkeit ist der Wiedereinstieg nach der Babypause. Dabei geht viel schief: Aufhebungsverträge, Kündigungen, ein plötzlich nicht mehr vorhandener Job, abgelehnte Teilzeitwünsche. Hier muss der Gesetzgeber auf jeden Fall nachbessern. Konkret würde ich den Kündigungsschutz auf 1-2 Monate nach dem Wiedereinstieg ausweiten, um den Eltern eine faire Chance auf einen Wiedereinstieg zu ermöglichen.
Du hast bei der Gründung Eurer Kita ein völlig neues Konzept umgesetzt: den Coworking Space, bei dem Eltern einen Arbeitsplatz in der Nähe ihrer Kinder bei der Anmeldung für die Kita mitbuchen. Wie kamst Du auf diese Idee?
Nach der Geburt meines zweiten Kindes wollte ich wieder schnell in den Job einsteigen, allerdings fand ich keine geeignete Kinderbetreuung. Ich bin im Netz auf eine Initiative gestoßen, die ein Eltern-Kind-Büro in Berlin gründen wollten. Als sich die Gruppe auflöste stand ich plötzlich alleine da und sagte mir: Nein, dieses großartige Projekt darf einfach nicht sterben! Dann habe ich tief durchgeatmet, ein Team gesucht und weiter gemacht.
Was sind allgemein und speziell in Eurem Coworking Toddler die Vorteile für Eltern und Kind?
Unser Projekt setzt Vereinbarkeit in die Tat um: Arbeitsplatz und Kinderbetreuung finden bei uns unter einem Dach statt. Während die Kinder liebevoll in der Kita betreut werden, arbeiten die Eltern konzentriert nebenan im Coworking Space. Ohne schlechtes Gewissen, stattdessen mit einem guten Gefühl im Bauch. Mittags treffen sich die Eltern mit den Kindern und Erziehern zum gemeinsamen Essen. Dort findet ein intensiver Austausch statt – die Erziehungspartnerschaft zwischen Kindern, Eltern und Erziehern wird nicht auf „Tür und Angel“-Gespräche beschränkt, sondern ist fester Bestandteil des Tages. Gleichzeitig werden die Eltern entlastet, da sie nur einen Weg zum Arbeitsplatz und zur Kita haben. Und sie können sich als Teil einer Community im Coworking Space beruflich und privat vernetzen.
Ist eine Betreuung im Coworking Toddler bei Euch nur mit oder auch ohne Kitagutschein möglich?
Grundsätzlich benötigt jedes Kind einen Kitagutschein, wenn wir Kapazitäten haben, können Kinder bei uns auch temporär ohne Gutschein betreut werden.
Was kostet die Betreuung eines Kindes und was die Anmietung von einem Arbeitsplatz? Kann man auch bei einem Arbeitsplatz mehrere Kinder unterbringen?
Der Eigenanteil, den die Eltern im Gutscheinsystem bezahlen ist einkommensabhängig, die Preise für den Arbeitsplatz beginnen bei 199 EUR netto für einen Teilzeitplatz, der Vollzeitplatz beträgt EUR 350 netto. Wenn entsprechende Kapazitäten bestehen, können die Eltern auch Geschwisterkinder bei uns betreuen lassen.
Gelten im Coworking Toddler andere Vertragsbedingungen als in “normalen” Kitas? Was ist z.B. die Mindestaufenthaltsdauer?
Nein, unser Betreuungsvertrag entspricht dem in Berlin üblichen Standard-Vertrag, der unter anderem eine 4-wöchige Kündigungsfrist vorsieht.
Gibt es Aufnahmebedingungen? Und wie kann man sich als Eltern bewerben?
Es gibt keine besonderen Bedingungen, jeder kann sich für einen Platz im Coworking Toddler über unsere Webseite www.coworkingtoddler.com anmelden. Etwas Glück gehört natürlich dazu, da wir altersgemischte Gruppen haben und es vom Alter her passen muss.
Hast Du das Gefühl die Eltern sind mit der Nähe zum Kind glücklicher als in anderen Kitas?
Absolut. Vor allem wenn die Kinder noch so klein sind, geht es Ihnen viel besser, wenn sie wissen, dass sie schnell bei ihrem kleinen Schatz sein können. Ich weiß noch selbst, wie ich während der Kita-Eingewöhnung meiner beiden Jungs gelitten habe. Was hätte ich darum gegeben, wenn es damals schon ein vergleichbares Betreuungsangebot gegeben hätte.
Wie ist Euer Betreuungsschlüssel und wie suchst Du die Erzieher und Pädagogen aus mit denen zusammen arbeitest?
Wir betreuen 12 Kinder und beschäftigen derzeit 3 Erzieher. Voraussichtlich wird noch eine vierte Kraft eingestellt. Damit haben wir einen überdurchschnittlichen Betreuungsschlüssel. Unser Team ist bunt gemischt: Weibliche und männliche Erzieher mit unterschiedlichen Erfahrungen und Schwerpunkten. Ganz zentral ist, dass sie voll hinter unserem bindungs- und bedürfnisorientierten Ansatz stehen, für unser Konzept „brennen“ und natürlich Spaß an der Arbeit haben.
Thema unserer Ausgabe ist “Play”. Was spielst Du mit Deinen Jungs zu Hause am liebsten?
Am Liebsten kuschele ich mich mit den Jungs unter eine Decke und lese ihnen Bücher vor. Da ich sehr gerne kreativen Tätigkeiten nachgehe liebe ich es auch mit den Jungs zu basteln und zu malen. Klar, und wenn sie toben möchten, lasse ich mich auch zum Fangen und Fußball spielen überreden. Ritter und Star-Wars-Rollenspiele sind dagegen nicht so mein Ding, aber zur Not spiele ich auch mal das Burgfräulein oder Meister Yoda.
Was guckst Du Dir vielleicht bei den Erziehern und Pädagogen ab, mit denen Du ja zum Teil sehr eng zusammen arbeitest?
Die Erzieher sind wirklich eine wunderbare Inspirationsquelle, sei es für Spielideen und kreative Angebote – aber auch was die Kommunikation mit den Kindern in besonderen Situationen angeht, z.B. wenn sich Kinder untereinander streiten. Es ist auch gut zu wissen, dass ich Fachfrauen und -männer um mich herum habe, denen ich immer wieder Fragen stellen kann.
Wenn Du mal in der Kita mit anpackst, was ist der größte Unterschied im Spiel und der Erziehung der eigenen und fremder Kinder?
Es kommt nur selten vor, dass ich mit den Kindern spiele, wobei ich mich sehr gerne im Kinderbereich aufhalte und dort gerne noch mehr Zeit verbringen würde, wenn ich sie hätte. Natürlich tritt man fremden Kindern gegenüber distanzierter und zurückhaltender gegenüber auf. Ich dränge mich nie auf und lasse die Kinder entscheiden, ob sie Lust haben mit mir zu spielen oder nicht.
Kann Erziehung am besten spielerisch vermittelt werden? Oder muss es Deiner Meinung nach klare und strenge Regeln geben?
Ich erziehe meine Kinder sehr frei. Mir ist es wichtig, dass sie sich selbständig und in ihrem persönlichen Rhythmus entfalten und entwickeln können. Dabei setze ich auch Grenzen, was mir zugegebenermaßen manchmal schwer fällt. Wenn einer der Jungs weint, wütend oder unzufrieden ist, sagt meine innere Stimme, dass ich ihnen sofort jeden Wunsch erfüllen muss. Natürlich weiß ich gleichzeitig dass das nicht geht und auch mal ein „Nein“ gesagt werden muss. Klare Regeln und Verständnis seitens der Kinder dafür finde ich wichtig, das „Streng“ lasse ich dabei aber meisten weg.
Du berätst auch viele Mütter, die einfach Fragen haben zu den Themen Wiedereinstieg, Aufhebungsverträge, Teilzeit etc. aber auch Selbstständige. Ist es für sie komplizierter bei der Beantragung von Mutterschutz und Elterngeld. Was müssen sie beachten, damit sie keine Abzüge haben?
Leider genießen selbständige Mütter in vielerlei Hinsicht immer noch einen Exoten-Status und wurden daher bei der Schaffung unserer Sozialsysteme und Gesetze kaum berücksichtigt. Zum Beispiel was das Thema Krankekasse angeht. Wenn mal als Selbständige privat oder freiwillig gesetzlich versichert ist können z.B. schnelle Nachteile beim Bezug des Mutterschaftsgeldes drohen. Ganz unangenehm kann es werden, wenn man vor dem Elterngeldbezug gleichzeitig selbständig und fest angestellt arbeitet. Dann wird man in bestimmten Konstellationen als Selbständiger behandelt, auch wenn die Einnahmen wesentlich geringer sind.
Hast Du noch einen Platz für einen einjährigen Jungen ab Januar 2018?
Auf jeden Fall! Eigentlich ist der Weg geebnet: Inzwischen bin ich erprobte Jungs-Mami und das perfekte Betreuungskonzept habe ich nun auch gefunden.
Wie staffeln sich die Kitagebühren nach der Entscheidung durch den Senat, dass ab Januar 2018 gar keine Kitagebühren mehr fällig werden?
Seit August 2016 entfallen die Kosten für alle Kinder in den letzten 4 Jahren vor der Schulpflicht, ab August 2017 in den letzten 5 Jahren vor der Schulplflicht und ab August 2018 entfallen die Gebühren komplett.
Siehst Du hier Vorteile oder auch Nachteile?
Den Grundgedanken der Kita-Gebührenfreiheit finde ich richtig. Was mich allerdings stört ist, dass das Thema Qualität nicht in dem Zusammenhang nicht ausreichend thematisiert und umgesetzt wird. Zum Beispiel müsste es noch viel mehr Qualitätsstandards geben. Viele Eltern hätten sich anstatt der Gebührenfreiheit lieber mehr Geld für Qualitätsverbesserungen gewünscht – ganz weit vorne natürlich bessere Betreuungsschlüssel.
Was ist für Dich das schönste am Mama-sein?
Quatsch machen und Kuscheln mit den Kindern – aber auch einfach nur die Kleinen beim Spielen zu beobachten und sich bewusst machen: es gibt nichts auf der Welt, was man tiefer im Herzen trägt.
Und was das nervigste?
Eigentlich nichts, außer ein paar Kleinigkeiten: Nägel schneiden, den allgegenwärtigen Sand beseitigen und Klettverschlüsse an Kinderschuhen, die ständig meine Strumpfhosen ruinieren.
Vielen Dank für das nette Interview liebe Sandra!
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Saskia hat mit ihren drei kleinen Orgelpfeifen die volle Ladung Jungspower zu Hause und weiß, was es heißt, an seine Grenzen zu stoßen. Sie trägt es mit Fassung und vor allem viel Liebe, denn die häusliche Sisyphusarbeit hat sowieso kein Ende. Doch auch wenn die Geburten ihrer drei Söhne ihr Leben auf den Kopf gestellt haben, blieb sie ihrer Leidenschaft für Fashion treu und lässt das Familienleben eher anekdotisch in ihren Beiträgen durchblitzen. Die Mitbegründerin des Mummy Mag arbeitet inzwischen frei als Stylistin und Redakteurin. Muttersein ist für Saskia von jeher ein positiv besetztes Bild und das möchte sie auch mit dem Mummy Mag transportieren, um den Frauen in Deutschland Mut bei der inzwischen viel zu häufig gestellten Kinderfrage zu machen.
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