“Jungsmama” – so ein Kack!
Sagt mal ehrlich, ist es nicht der größte Mist, über die Geschlechter (-spezische Vorlieben) von Kindern zu spekulieren, schwadronieren, diskutieren? Wir Mütter und Frauen haben doch sooo viel Wichtigeres zu erzählen. Ich bin Mitglied in einer Mütter Facebook Gruppe, in der ständig, mehr oder weniger entscheidende Fragen gestellt werden. Diese zeigen, wieviel Bedarf an Austausch unter Müttern herrscht. Analog wäre das doch auch schön: “Welche Schuhe/Schule kannst du empfehlen?” “Was frühstückt ihr mit den Minis eigentlich?” “Wie hast du das mit dem Abstillen gemacht?” (Für alle, bei denen dieses Thema gerade Prio hat: hier noch ein Beitrag dazu) Diese Fragen kann man doch auch Kitaeltern oder der besten Freundin mit Kindern stellen. Das finde ich wichtiger, als sich über “Typisch Jungs” oder “Typisch Mädchen” den Kopf zu zermattern…
Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin eine der wenigen Frauen, die sich NICHT insgeheim ein Mädchen gewünscht hat. Das Gedankenkarussell lief eher so: Eine kleine Janine? Joah. Von mir aus. Aus Erzählungen und schwacher Erinnerung weiß ich ja, wie die drauf war. Sie hatte beispielsweise im Kindergarten einen Jungen zum BFF! Lassen wir das Ganze mal auf uns zu kommen.
Die Feindiagnostik round about SSW 20-22 hat es in beiden Schwangerschaften dann eindeutig gezeigt: Der heilige Bim Bam baumelte zwischen den Beinen. Und wir mutierten zu grinsenden Honigkuchenpferden. Weil das Baby gesund war! Und wahrscheinlich auch, weil es uns beiden jedes Mal schnuppe war. Allein die Oma setzte Impulse. Mein persönlicher Moment-Mal-Moment war, als sie Philo fragte, was er sich denn wünsche – bevor feststand, was es eigentlich wird! Ich hab sie daraufhin zur Seite genommen und ihr erklärt, dass wir Philo nur unterschiedliche Optionen aufzeigen, wenn er auch wirklich die Wahl hat – also: Rote oder grüne Tasse, Fenchel- oder Kamillentee, Fahrrad oder Laufen usw.
Die Oma hat sich natürlich ein Mädchen gewünscht – von jeder Sorte eins, hach, das wär doch schön!
Ich frage mich ernsthaft, warum 2017 hierzulande das Geschlecht überhaupt noch eine Rolle spielt, manchmal geradezu glorifiziert wird? Wir schreiben uns liberale, genderneutrale Erziehung auf die Fahne, haben aber dann unterschiedliche Erwartungshaltungen bereits an Ungeborene?! Wtf!? Korrigiert mich, wenn ich irre aber hegen wir unterschwellig immer noch althergebrachte Rollenbilder. Oder warum wünscht man sich das eine Geschlecht mehr als das andere – respektive beide Gender und am besten noch in einer bestimmten Reihenfolge? Weil wir es in einer Konsum überfluteten Gesellschaft einfach gewohnt sind, Wünsche zu äußern – und diese auch erfüllt zu bekommen?! Oder weil wir uns insgeheim alle 1 zu 1 reproduzieren wollen und Narzissmus noch nie auf so fruchtbaren Boden gefallen ist wie in Zeiten von Social Media? Je länger ich drüber nachdenke, desto oberflächlicher finde ich das Thema. Wer sich Sorgen über das Geschlecht seines oder gar anderer Leute Babys macht, der hat keine Sorgen, oder?
Ich bin dankbar für meine Jungs. Weil sie mir jeden Tag vorleben, was Unvoreingenommenheit bedeutet. Weil sie mich öfter zum Lachen, Staunen, aber auch an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringen, als ich je für möglich gehalten hätte. Sie zu beobachten und in ihrer Entwicklung zu begleiten, öffnet mir die Augen – für Dinge, die schief laufen, aber auch für das viele, das es auf dieser Welt zu entdecken gibt: Mama, ich möchte Schminka! Und Lippenstift (meint Lippenbalsam). Und auf der Couch springen. Machst du mir die Haarspange rein? Darf ich das? Zeigt auf den Nagellack usw. Über den ganzen Schubladen-Gendermist habe ich mich übrigens hier mal ausgelassen… und wenn ich lustig bin, schreibe ich vielleicht mal einen Beitrag darüber, wie wir auf die Namen Philo und Quinn kamen.
Lasst uns versuchen, nicht vordergründig Mädchen oder Junge, sondern als aller erstes das Individuum zu sehen! Wer sich ein Mädchen wünscht, um es hübsch anzuziehen oder einen Jungen, zum Fußball kicken, der sollte besser in Puppen investieren. Wenn ich mir etwas wünsche, dann dass ich meine Jungs dabei begleiten kann, verständnisvolle und emanzipierte Männer zu werden.
P.S. Philo hat auf Omas Frage übrigens geantwortet, dass er sich ein Brüderchen wünscht. Da haben wir aber Glück gehabt… by the way, am nächsten Tag schon sollte es ein Schwesterchen sein. So unvoreingenommen sind wohl wirklich nur Kinder!
P.P.S. Fall ihr Lust auf ein Pamphlet habt, in dem sich “Jungsmamas” zu Wort melden und erklären, was so toll daran ist: Littleyears hat dem Thema eine Plattform geboten.
P.P.S. Was glaubt ihr, warum hat das Geschlechter-Thema so ein Gewicht in unserer Gesellschaft? Helft mir, ich verstehe es nicht?!
3 Comments
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Ann-Katrin Sofie
Ein klasse Beitrag! Wir sind noch schwanger und die Frage: „was wird es?“ begegnet uns ständig. Wir behalten es genau deshalb auch bis zur Geburt für uns. Es ist uns egal ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Ich möchte es vor den Erwartungshaltungen schützen, und das Kind bekräftigen, Geschlechterunabhängig , seinen Vorlieben und Fähigkeiten nachzugehen.
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Lea
Danke, danke, danke! was für ein wunderbarer Beitrag, er spricht mir aus der Seele. Ich habe im November Zwillingsjungs bekommen und durfte mir ständig Kommentare anhören wie: ” schade, dass es kein Pärchen wird” und “ohje, auf einmal zwei Jungs, dass wird anstrengend”.
Anna
Das Thema begegnet uns so ziemlich jeden Tag. Piet mit seinen langen Haaren wird grundsätzlich immer für ein Mädchen gehalten. Selten korrigiere ich die Leute und wenn sie so richtig frech werden, sage ich “vielleicht überlegt er sich ja irgendwann ein Mädchen sein zu wollen”. Dann ist Ruhe. Für uns sind alle Kinder “Kinder” und wir gebrauchen nur selten die Ausdrücke “Junge” oder “Mädchen”. Aus eigener Erfahrung weiß ich wie irrelevant diese Stempel sein können, wenn sich die Seele im falschen Körper befindet. Wir nehmen also was kommt 🙂