Ringelpietz mit Anfassen
Mütter habt mehr Handtaschen!
Shwetha Ringel (39) ist eine bemerkenswerte Frau. In der Zeit, in der ihre Kinder Miya (6) und Kian (5) zur Schule gehen, arbeitet sie unermüdlich daran, ein internationales Business aus dem Boden zu stampfen. Dass das nicht immer einfach ist, glauben wir gern. Sie designt und verkauft Taschen indischer Kunsthandwerker. Made in India. Produziert zu fairen Löhnen. Und wie wir neulich wieder von Mad gelernt haben, ist die Handtasche doch das wichtigste Accessoire einer Mutter – nach dem Kind natürlich! Hahahaaaa. Aber lest selbst…
Liebe Shwetha, wie viele Stunden am Tag arbeitest du an deinem gleichnamigen Taschenlabel? Wie groß ist dein Team?
Ich fange an zu arbeiten, sobald die Kinder in der Schule sind. Meine Arbeitszeit hängt sehr von der Saison ab und in welchem Stadium wir uns befinden. Manche Tage arbeite ich bis tief in die Nacht und an manchen Tagen etwa vier bis fünf Stunden. Ich habe einen Partner, Sandra Breede. In unserer Produktion in Indien arbeiten zwölf Kunsthandwerker. Darüber hinaus haben wir sechs bis sieben Brand Ambassadors, die uns dabei helfen, Kaufveranstaltungen in Europa zu organisieren und abzuhalten.
Wieviel Startkapital hattet ihr?
Keines. Wir haben unser Taschen-Business ganz klein begonnen.
Wollt ihr schnell wachsen oder weiterhin kleine Mengen an Unikaten produzieren?
Wir wollen Shwetha zu einer Nichenmarke werden lassen. Sprich, langsam wachsen und die Stückzahlen klein und exklusiv halten. Das kann so aussehen, dass wir den gleichen Style an Tasche für verschiedene Städte in unterschiedlichen Farbcodes produzieren.
Du pendelst beruflich zwischen NY und Düsseldorf. Inwiefern unterstützt dich dein Mann?
Er übernimmt die Kinderbetreuung, wenn ich beruflich reisen muss oder viel unterwegs bin. Zudem hilft er mir sehr bei der Strategie meines Labels und allen unternehmerischen Fragen. Da er selbst von ganzem Herzen Unternehmer ist, versteht er die Hingabe und die viele Arbeit, die mit einem eigenen Label einhergehen.
Das klingt, als sei dein Mann super flexibel. Wie habt ihr die Kinderbetreuung geregelt? Gibt es eine Nanny? Oder zusätzliche Hilfe durch Oma und Opa?
Ich bringe meine Kinder morgens zur Schule und arbeite dann, solange sie weg sind. Nach der Schule hole ich sie ab und richte mich nach ihrem Tagesablauf bestehend aus Unterricht, Hausaufgaben, Essen und Schlafengehen. Danach arbeite ich dann weiter, wenn es nötig ist. Und nein, wir haben keine Nanny. Wenn wir mal ausgehen abends, dann haben wir einen Babysitter, aber am Tag sind es nur mein Mann und ich. Meine Eltern wohnen in Indien und besuchen uns oft und auch meine Schwiegereltern helfen gerne, wenn ich sie frage. Dennoch, mein Mann und ich sind der Meinung, dass die Kinder unsere Verantwortung sind und sind in der komfortablen Lage, die meiste Zeit selbst auf sie aufpassen zu können.
Erzähl uns von den schwachen Momente, in denen du nicht sicher bist, wie Mamasein und ein Fulltimejob unter einen Hut passen.
Es gibt immer Tage, an denen alles zu viel wird und man sich fragt, wie Kinder, Job und das Leben in Balance zu halten sind. Das funktioniert leider nicht immer und man sieht schwarz. Ich versuche mich in solchen Momenten selbst zu motivieren: Reiß dich zusammen und am Riemen! Du hast immer eine Wahl und ich hab mich nunmal dafür entschieden, kreativ und dennoch nah bei meiner Familie zu sein.
Du arbeitest in Indien mit kleinen Gemeinschaften zusammen, die ihre Handwerkstradition weitergeben können, erzähl uns ein bisschen mehr über die riesigen Unterschiede des Labels “made in India”? Was ist Durchschnittslohn der Arbeiter, was bezahlt ihr usw…
Wir sind ein „Slow Fashion Brand“, stellen also keine Massenware her. Wir produzieren nur in limitierter Auflage mit exklusivem Verkauf in Europa. Es steht nun aber eine Expansion nach New York an. Unsere Kunsthandwerker beziehen einen fairen Lohn – auch dadurch, dass wir die Verkäufer alle persönlich kennen.
Wie distanziert man sich von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit in Indien und ist das überhaupt komplett möglich?
Alle unserer Mitarbeiter kennen wir persönlich. Ich besuche alle Produktionsstätten regelmäßig und kenne daher auch die Besitzer der Firmen. Wenn man regelmäßig vor Ort ist und alle Mitarbeiter persönlich kennt, kann man Kinderarbeit verhindern, ja. Und das ist es, was wir tun. Shwetha steht für Nachhaltigkeit und das fängt beim Sourcing der Rohware an, geht über die Auswahl der Produktionsstätten und die Produktion. Jedes Glied in dieser Kette ist wichtig für unseren Erfolg und wir legen größten Wert darauf, dass daher auch jeder in diesem Prozess fair bezahlt und gut betreut wird.
Wie reagieren Arbeitnehmer in Indien auf faire Arbeitsbedingungen?
Ich denke, dass alle Arbeitnehmer, ob nun aus Indien oder woanders her, für faire Arbeitsbedingungen sind. Natürlich ist unser Verständnis von „fair“ in Europa anders, als anderswo auf der Welt, schaut man sich die Märkte in China, Afrika oder eben Indien an. Bei Shwetha nehmen wir unser westliches Verständnis von fair und kombinieren es mit den Standards in Indien, ohne jedoch Abstriche zu machen.
Wie unterscheiden sich Kindererziehung und das soziale Familiensystem in Indien bzw. USA von dem in Deutschland?
Ich würde es nicht auf Indien, die USA und Deutschland beschränken, da die Idee von Erziehung auch innerhalb Europas von Land zu Land sehr unterschiedlich ist. Vieles kommt aus dem geschichtlichen Aspekt aber auch aus dem Sozialsystem des jeweiligen Landes. In Deutschland sind es Eltern gewohnt, bis zu drei Jahren in Elternzeit zu gehen. Dieses System existiert so nicht in den Frankreich, den USA oder anderen Ländern. Somit gibt es auch verschiedene Perspektiven von Familienleben. Eine Sache haben jedoch alle Kulturen gemeinsam: Familie kommt immer an erster Stelle, egal wie schwer die Umstände sind.
Was liebst du an welchem der drei Länder am meisten?
An Indien liebe ich das Erwachen aller Sinne. Die Farben, das Essen, die Schönheit der Landschaft. Deutschland hat einen festen Platz in meinem Herzen, auch mein Mann kommt hier her und meine Kinder sind hier geboren. Meine engsten Freunde, quasi meine zweite Familie, wohnen in Düsseldorf. Für mich sind Deutsche sehr „real“, also ehrlich. New York war davor meine Heimat und immer, wenn ich zurück komme, fühle ich mich lebendig. Alleine wenn man durch die Straßen läuft, saugt man so viel Inspiration in sich auf. Die Vielfalt der Menschen hier und das Interagieren mit ihnen macht mich zur bestmöglichen Version meiner selbst. Auch mein Bruder und seine Familie leben in der Nähe, was jeden Aufenthalt in New York natürlich noch schöner macht.
Wieviel Indien, Deutschland und USA steckt in jeder Tasche von dir?
Wenn ich für Shwetha eine Tasche entwerfe, stecken darin alle Einflüsse und Inspirationen, die ich bei meinen Reisen sammle. Alle drei Kulturen sind in meinen Design vertreten, mal mehr mal weniger. Die Schönheit der Welt und der interkulturelle Austausch auf allen Ebenen, sei es Essen, Farbe, Glaube, Gerüche oder schlicht Design. Das ist es, was unsere Produkte einmalig macht.
Welches Land bietet in deinen Augen die besten Bedingungen, um Kinder großzuziehen?
Es ist eine schwere Frage mit einer komplizierten Antwort. Es kommt darauf an, was man unter „beste Bedingungen“ versteht. In Indien ist es die sehr starke Unterstützung von Familie und der Gemeinschaft, in der Kinder in Liebe und Sicherheit aufgezogen werden. In Deutschland erlaubt es einem das soziale Fangnetz, durch das den Kindern eine gute Ausbildung und ein ausbalanciertes Familienleben garantiert wird. In den USA gibt es jedoch mit die besten Colleges weltweit. Bisher habe ich meine Kinder in Düsseldorf und London großgezogen. Ich bin auch sehr gespannt, was in New York auf mich zukommen wird.
Was möchtest du deinen Kindern mitgeben?
Sei unvoreingenommen, wisse das Leben zu schätzen, respektiere Vielseitigkeit und verurteile Menschen niemals wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Religion oder ihres Glaubens. Jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen und man sollte sich die Zeit zum Zuhören nehmen. Dann wirst du merken, wie viel ihr beiden gemeinsam habt, obwohl ihr am Anfang doch so verschieden wart.
Danke, liebe Shwetha für deine ehrlichen Antworten. Du gibst 100%!
Hier könnt ihr euch durch Shwethas aktuelle Kollektionen clicken. Ab 200 Euro für eine handgefertigte Ledertasche mit gutem Gewissen. Finden wir ok. Marie Nasemann ist noch keine Mum, deshalb reicht ihr eine von Shwethas hübschen Samt-Clutches für unterwegs – hahahaaa…
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