S wie Stolz
Der Stolz ist die Freude, die der Gewissheit entspringt, etwas Besonderes, Anerkennenswertes oder Zukunftsträchtiges geleistet zu haben. Dabei kann der Maßstab, aus dem sich diese Gewissheit ableitet, sowohl innerhalb eines eigenen differenzierten Wertehorizonts herausgebildet als auch gesellschaftlich tradiert sein. Im ersten Fall fühlt man sich selbst bestätigt und in seiner Weltanschauung bestärkt („Ich bin stolz auf mich“), im anderen Fall sonnt man sich in der gesellschaftlichen Anerkennung („Ich bin stolz, etwas für meine Stadt geleistet zu haben“). Beim Elternsein steht plötzlich der Stolz auf den Nachwuchs im Vordergrund und bereitet uns Schmetterlinge im Bauch…
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Eine WhatsApp-Nachricht flammt auf meinem Handy-Display auf. Noch eine. Noch eine. Und noch eine.
Meine Freundin bombardiert mich mit Fotos ihrer Kinder. Dann Pause. Dann fragt sie wo die anderen 12 Fotos sind, die sie geschickt hat. Ich habe eben erst 9 Bilder bekommen. “Es ist wichtig dass ich die Bilder sehe, ihre Kinder haben da ganz besonders komische Dinge drauf gemacht.” Ich sehe nichts. Kleine grinsende Schleckermäulchen bekleckern ihre Anoraks mit Schokoladeneis. Soll das komisch sein? Oder sind wir Eltern es, die komisch sind?
Immerhin haben z.B. Janine und ich in den letzten 12 Monaten 742 Medien!!!! über WhatsApp getauscht. Videos, Fotos, Sprachnachrichten unserer Kinder, Momente unseres Alltags die wir Nicht-Eltern niemals in der Masse schicken würden, aus Angst sie lassen uns abholen, von diesen kräftigen Männern mit der weißen Jacke. Steckt da dieser “Stolz” dahinter?
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2 Frauen sitzen mir in der Ubahn gegenüber, Sie beobachten Izzy wie sie genüsslich an ihrem Lolli schleckt, dann unterhalten sie sich und ich höre unfreiwillig zu.
“Weiß Luisa nun schon worauf sie sich spezialisieren will?” fragt die eine.
“Frauenheilkunde oder Psychologie findet sie spannend” sagt die andere.
“Oh mein Gott wie furchtbar” verzerrt die erste ihr Gesicht.
“Na sie findet es spannend”, sagt die, die Luisas Mutter zu sein scheint.
“Für mich wäre das nichts”, sagt erstere nun fast schon abfällig.
“Na am Anfang war es schwierig, da war ihr oft flau im Magen, aber sie ist ja auch sehr groß und oben ist die Luft dünner.”
Was? Kurze Verwirrung im Gesicht der einen, aber keine weiteren Wiederworte.
Stolze Mamas erfinden eben die tollsten Begründungen, wenn andere Menschen ihre Kids zu kritisieren versuchen. Was soll man auf die These mit der dünnen Luft da oben auch antworten?!
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Ich bringe Izzy in die Kita. Das mache ich sonst nie, sondern bei uns bin ich für das holen zuständig. Ich bin in Eile und wir flitzen über den Platz, schnurstracks die kleine Straße entlang bis ganz ans Ende, die Rampe des Vorbaus hoch, hinein in den Vorraum. Ich stelle mich instinktiv auf eine kleine Diskussion ein, überlege mir schon, wie ich erkläre, dass ich jetzt gleich ohne sie gehe. Aber alles bleibt aus. Sie zieht sich die Jacke aus und die Hausschuhe an, begrüßt freundlich ihre Erzieherin und geht erstmal rutschen. Ich beobachte sie noch eine kurze Weile und sage ihr dann das ich gehe. Sie winkt mir, ich winke zurück und dann laufe ich los. In der Tür bleibe ich stehen und drehe mich nochmal um. Wie in Hollywood-Schmonzetten, wenn das Happy End an diesem einen Moment absehbar ist. Wenn er sich umdreht und sie sich umdreht und romantische Musik einsetzt. Genau das schießt mir gerade in den Kopf und ich drehe mich um, … und da steht sie, ganz oben auf der Rutsche und schaut mir durch das Glasfenster direkt in die Augen. Mein Herz rast, wo ist die Musik? Eine riesige warme, schaumige Masse macht sich in mir breit. Ich platze vor stolz.
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Bei Prenzlschwäbin Bärbel Stolz (der Name ist natürlich Zufall) wird unmissverständlich klar, welch wahnwitzige Ideen stolze Eltern entwickeln um ihrer riesigen warmen, schaumigen Masse Ausdruck zu verleihen:
Tschüssle
Madeleine schreibt in unregelmäßiger Regelmäßigkeit ihre ABC-Kolumne. Darin geht es um kleine und große Dinge die uns Eltern im Alltag mit Kindern begegnen. Von A bis Z geht es um Geburtstagskuchen, das Immunsystem oder Wellness (ohne Kind wohlgemerkt). Noch mehr Beiträge findet ihr HIER. Wenn ihr Ideen zu Themen habt die aufgeschrieben gehören, schreibt Madeleine doch einfach eine Email. Merci.
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