Terrible Twos – Warum die „Trotzphase“ ein wichtiger Entwicklungssprung ist (und wie du gelassen bleibst)
Wenn wir Eltern von den „Terrible Twos“ sprechen, klingt es oft nach Dauer-Sturmwarnung: Wutanfälle im Supermarkt, „Nein!“ als Lieblingswort und Tränen, weil das Brot falschrum auf dem Teller liegt. Hinter all dem steckt kein „schwieriges Kind“, sondern eine ganz normale – sogar wichtige – Entwicklungsphase: die Autonomiephase. Judith hat auch hier schon über die Wut von Kindern geschrieben.
Sie beginnt bei vielen Kindern zwischen 18 und 24 Monaten, wenn das Ich-Bewusstsein erwacht und der eigene Wille stärker wird. Das fühlt sich für Kinder groß an, manchmal zu groß – und ist für uns Eltern einfach nur sehr, sehr anstrengend.
Starke Gefühle prallen in diesem Alter auf begrenzte Sprach- und Selbstregulationsfähigkeiten. Klare, liebevolle Begleitung hilft Kindern, diese Gefühle zu verstehen und einzuordnen. Na denn, viel Spaß!
Was hinter den Terrible Twos wirklich steckt
Das Kleinkind will „selber!“ – Schuhe anziehen, Becher befüllen, Reißverschlüsse hochziehen. Das ist kein Machtspiel, sondern ein natürlicher Drang nach Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit. Frust entsteht, wenn etwas noch nicht klappt oder wenn Grenzen gesetzt werden. Entscheidend ist, dass wir diese Autonomie ernst nehmen, ohne dabei unsere eigenen Grenzen aufzugeben. Und ja, das ist schwierig.
Hilfreich ist es, Gefühle zu benennen („Du bist wütend, weil…“) und gleichzeitig Sicherheit zu geben. So lernen Kinder Schritt für Schritt, mit starken Emotionen umzugehen – und wir schaffen es, zumindest meistens der ruhige Anker zu bleiben, den es in diesen Momenten braucht.
Auch Expertinnen und Experten aus der Entwicklungspsychologie betonen: Wutanfälle sind kein Zeichen von „schlechter Erziehung“, sondern Ausdruck von Überforderung. Je besser wir als Eltern die Ursachen erkennen (Hunger, Müdigkeit, Überreizung), desto leichter können wir vorbeugen oder beruhigend eingreifen. Wichtig ist: blendet dabei dumme Kommentare eurer Umwelt aus, die bleiben leider auch 2025 immer noch nicht aus.

Alltag mit Trotz – aber nervenschonend: Neun helfende Strategien
Vorbeugen statt Feuerlöschen.
Hunger, Müdigkeit oder Reizüberflutung sind häufige Auslöser. Plant kleine Pausen ein, haltet Snacks und Wasser bereit – das verhindert so manchen Wutanfall.
Worte für Gefühle geben.
Benennt, was ihr seht: „Du bist sauer, weil…“ Das hilft beim Sortieren der Emotionen und vermittelt Verständnis. Danach kurz erklären, was als Nächstes passiert. Kind mitnehmen.
Wahlmöglichkeiten anbieten.
„Willst du den blauen oder den grünen Becher?“ – kleine Entscheidungen geben euren Kindern Kontrolle und helfen beugen möglicherweise Grundsatzdiskussionen vor.
Grenzen setzen. Liebevoll, aber klar.
„Nein“ bleibt „Nein“, vor allem wenn es um Sicherheit oder Werte geht. Nachgeben im Affekt („Na gut, nimm halt die Süßigkeit“) macht es beim nächsten Mal nur schwerer. Das gilt insbesondere für Tablets und Mobiltelefone aber auch alles andere. Der Weg des geringsten Widerstands wird sonst gerne zur Regel (spreche da aus Erfahrung).
Ablenken, bevor es knallt.
Die ersten Anzeichen eines Ausbruchs rollen an? Dann hilft manchmal ein Themenwechsel, Ablenkung, z.B. etwas Spannendes zeigen oder tief durchatmen – gemeinsam.
Co-Regulation statt Gegendruck.
Ich seh es auch heute noch, dass viele Eltern das übersehen oder ignorieren – vielleicht auch, weil sie es selbst nicht kennen: Es hilft so sehr, mit euren Kindern auf Augenhöhe zu gehen, ruhig zu sprechen und immer, immer Körperkontakt anzubieten, wenn dein Kind das möchte. Gegenschreien oder Strafen verschärfen die Situation meist nur. Bricht mir beim Zuschauen oft das Herz.
Nach dem Wutanfall: Bindung!!!
Ein kurzer Satz wie „Das war schwer für dich. Jetzt bist du wieder ruhig.“ hilft, das Erlebte einzuordnen. Nähe danach signalisiert Sicherheit!
Konsequent aber ohne Strafen-Spirale.
Erklärt Konsequenzen und setzt sie klar um – ohne Beschämung oder Drohung. Verhandeln funktioniert erst, wenn sich dein Kind wieder beruhigt hat. Und ihr dürft bestimmen.
Eigene Ressourcen schützen.
Terrible Twos können auch für Eltern massiv anstrengend sein. Hol dir – wenn möglich – Pausen, bitte Partnerin, Familie oder Freundinnen um Unterstützung. Erschöpfung ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Signal, dass du dich um dich selbst kümmern musst!
Terrible Twos – Sprache, Gehirn & Geduld – warum es Zeit braucht
Ein großer Teil der Trotzphase hängt mit der Sprachentwicklung zusammen. Kinder verstehen mehr, als sie ausdrücken können. Die Emotion kommt schneller als die Worte. Diese Diskrepanz sorgt dann gern mal für Frust. Erst im Laufe der nächsten Jahre reifen die Bereiche im Gehirn, die Impulskontrolle und Selbstberuhigung steuern. Und ich meine: JAHRE.
Das bedeutet: Kinder können noch nicht immer „besser“, selbst wenn sie wollen. Es braucht euch als Übersetzerin oder Übersetzer seiner Gefühle. Unser Job als Eltern ist also nicht, Wut zu verhindern, sondern sie gemeinsam zu durchleben – juhu.
Wann wir genauer hinschauen sollten
Wenn Wutanfälle extrem häufig, sehr lang anhaltend oder mit starker Aggression oder Selbstverletzung verbunden sind – oder du das Gefühl hast, gar nicht mehr durchzudringen – ist es sinnvoll, mit der Kinderärztin oder einer Erziehungsberatung zu sprechen. Unterstützung zu suchen ist keine Schwäche, sondern zeigt, dass wir Verantwortung übernehmen.

Buchtipps für die Trotzphase
Lesen klappt natürlich auch – wenn ihr die Zeit findet.
Danielle Graf & Katja Seide: Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten treibt mich in den Wahnsinn – Der entspannte Weg durch Trotzphasen
Ein Bestseller, der Eltern auf humorvolle und empathische Weise durch die emotionalen Stürme führt.
Nora Imlau: Bindung ohne Burnout – Entspannt erziehen mit Sicheren Bindung – für Eltern, die alles geben möchten, ohne auszubrennen
Ein aktuelles Werk, das zeigt, wie Eltern in fordernden Phasen wie der Trotzphase gut für ihr Kind da sein und gleichzeitig ihre eigenen Kräfte schützen können. Grundsätzlich sind alle Bücher von Nora Imlau empfehlenswert.
Susanne Mierau: Ich! Will! Aber! Nicht! – Trotz, Tränen und Zeiten voller Liebe
Ein warmherziges, bindungsorientiertes Buch über die Autonomiephase, das Eltern hilft, kindliche Wut zu verstehen, Grenzen empathisch zu setzen und gelassen zu bleiben.
Angelika Tiefenbacher: Mein Kind ist trotzig – Schwierige Entwicklungsphasen entspannt meistern
Alltagsnah, mit vielen Beispielen und Strategien zum direkten Umsetzen.


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