BORN

Jede Geburt ist anders und jede Frau empfindet den Tag unterschiedlich. Die Geburten unserer drei Söhne sind für mich die schönsten Tage in meinem Leben. Die Geburt des ersten Kindes ist einfach etwas ganz besonderes, weil einen dieses kleine private Wunder zum ersten mal überwältigt. Das soll natürlich nicht heißen, dass man sich über die Geburten weiterer Kinder weniger freut, man hat nur schon eine gewisse Ahnung von den Gefühlsausbrüchen, die einen erwarten. Bei uns verlief der Tag der Geburt unserer Zwillinge dann nicht ganz nach Plan, wenn ich das mal so sagen darf bzw. war weit entfernt von dem geplanten Datum. Aber von vorn…

Wenn unsere Zwillinge Geburtstag haben, werde ich immer ein klein wenig sentimental. Ich habe dann das Bedürfnis den Geburtstag in einem besonders engen Kreis zu feiern. Vielleicht liegt das an ihrem drei Jahre älteren Bruder, mit dem wir schon so viele große Kinderpartys gemacht haben, die vielleicht auch mal etwas überdimensioniert waren, so dass ich danach gezweifelt habe, ob wir an diesem für uns so besonderen Tag überhaupt genug Zeit füreinander hatten. Vielleicht aber auch daran, dass die Geburt der Zwillinge zwei Monate vor dem errechneten Entbindungstermin stattfand und daher alles andere als ein normaler Start ins Leben für sie war.

Der Tag der Geburt war bei uns eigentlich eine Nacht…

Ich hatte einen anstrengenden Tag hinter mir, an dem ich trotz Kugelbauch mit unserem Sohn getobt und gespielt hatte und sehr wohl bemerkte: das war irgendwie zuviel für die Babys. Kurz vor Mitternacht lagen mein Freund (inzwischen Mann) und ich im Bett und ich sprach das komplizierte Thema der Namensgebung etwa so an: „Ich fange leider schon wieder damit an, aber ich habe so das Gefühl, die Jungs lassen uns nicht mehr soviel Zeit zum nachdenken; wie sollen sie denn nun heißen?“

Seine Antwort: „ Es sind doch noch zwei Monate bis zur Geburt, lass uns ein andermal darüber sprechen.“

Keine zehn Minuten später: PLATSCH! „Baby, meine Fruchtblase ist geplatzt!“

AHHHHHHHHHH Aufregung!!!!

Es folgten: Anrufe bei der Feuerwehr und Oma /Opa, um unseren Sohn abholen zu lassen; Überzeugungsarbeit an den Feuerwehrmännern („mir geht es gut“ mit klappernder Kinnlade) und Überredungsversuche mit dem Ziel in das gewünschte Krankenhaus gefahren zu werden; Bergetuch (ich durfte natürlich nicht mehr aufstehen, da noch kein Köpfchen im Becken lag und wir hatten eine Wendeltreppe zu überwinden) sowie der Eintritt von direkt starken WEHEN im Krankenwagen. Zum Glück saß nur mein Mann bei mir hinten und die Feuerwehrmänner bemerkten es nicht gleich (die wären glatt zur nächsten Klinik – in die ich nicht wollte – abgebogen). Im Krankenhaus hat man dann trotz Blasensprungs versucht, die Wehen zu unterdrücken. Vollkommen ergebnislos vergingen so noch einige Stunden mit zunehmend stärkeren Wehen, zu denen ich absolut kein Zeitgefühl mehr habe. Nach einer weiteren sehr schmerzhaften Untersuchung, kam es dann plötzlich zur sehr eiligen Sectio. Ich bin so dankbar, dass im OP eine resolute Hebamme war, die durch ihre sehr dominante Art mein vollstes Vertrauen genoß. An ihrer Schulter konnte ich mich während des Spinalanästhesie-Versuchs unter schnell aufeinanderfolgenden Wehen, wahrhaftig ausschreien. Diese Frau hat mir ja so so sehr geholfen! Der Kaiserschnitt verlief gut. Auch wenn es gefühlt lange dauerte bis sie endlich beide geboren waren. Die Jungs wurden mir nacheinander gezeigt und sofort zu den Neonatologen gebracht und untersucht. Sie waren beide gesund, sie waren aber durch die plötzliche Geburt in unterschiedlich guter Verfassung. Mein Mann war bei Ihnen. Und manchmal glaube ich, dass es besser war, in diesem Moment unter so vielen Medikamenten gestanden zu haben und auf dem OP-Tisch festzusitzen. Ich weiß nicht wie ich diese Hilflosigkeit, daneben stehen zu müssen, ausgehalten hätte. Jedenfalls wurde ich dann genäht und erst als ich wieder auf der Station lag, wurden die Zwillinge zu mir gebracht. Ich konnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Arm nehmen.

Ich weiß noch, dass es für mich die größte Erleichterung bedeutete als sie ein paar Tage später anfingen gemeinsam in einem Wärmebettchen der Neonatologie zu liegen. Einerseits weil sie von den Ärzten für stabil genug gehalten wurden, um das zu wagen (inklusive verheddern der Überwachungs-Verkabelungen) anderseits machte es mich so wahnsinnig glücklich, dass zumindest sie jetzt wieder vereint waren und sich nach der langen gemeinsamen Zeit in meinem Bauch spüren konnten. Durch die Erfahrungen, die ich mit der Geburt meines ersten Sohnes gemacht hatte, war der Start zusätzlich schwierig – zumindest für mich. Denn ich kannte es anders: Mit dem Baby im Arm ein paar Tage im Krankenhaus verbringen und dann ab nach Hause; ohne weitere Vorkommnisse. Meine Babys nach der Geburt nicht bei mir zu haben, sondern auf einer weit entfernten Intensivstation zu wissen, war am Anfang schrecklich. Durch die Sectio war ich noch dazu auf Hilfe angewiesen, um überhaupt zum ersten mal zu ihnen zu kommen! Wie bei jeder Geburt gab es da natürlich auch bei uns jede Menge Tränen und mir geht es auch jetzt noch nicht richtig gut, bei dem Gedanken daran.

 

Unter anderem wegen Kontakt mit einem MRE-Keim (multi-resistente Erreger), mit dem sich unsere Zwillinge glücklicherweise als nicht infiziert erwiesen, mussten wir einige Zeit in Karantäne auf der neonatologischen Intensivstation bleiben. Wir durften dann etwa drei Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin nach Hause. Das war ein unsagbar glücklicher Tag! Hinter uns lag eine schwierige Zeit, die uns aber durch unsere gegenseitige Unterstützung und die der Familie recht gut gelungen war. Da ich nachts immer zu Hause geschlafen hatten, musste unser ältester Sohn nicht ganz auf mich verzichten (der durfte dann bei uns im Bett schlafen) und die Zwillinge musste es tagsüber auch nie. Die Vorstellung, dass sie mich zu Beginn ihres Lebens nicht rund-um-die-Uhr bei sich hatten, sitzt trotzdem tief in mir fest und tut weh. Das wichtigste ist aber, dass sie jetzt quietschfidel und vollkommen gesund um mich herumspringen und kein bisschen mehr an Frühgeborene erinnern.

pa