Gast_Mummy_Mona

Gast-Mummy Mona lebt in München und ist Ärztin. Und die Geburtsgeschichte ihrer ersten Tochter beschreibt sie mit unglaublicher Offenheit und Ehrlichkeit, dass man direkt jede Minuten nachempfinden kann. Und Mona hat wirklich viel mitgemacht: 20 Stunden Wehen, Verzicht auf eine PDA, zwei Versuche mit der Saugglocke und am Ende konnte die kleine Sternenguckerin nur mit der Zange geholt werden… Und am Ende: das pure Glück!

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Ich heiße Mona, bin 28 Jahre alt und wohne seit dem Studium in München. Meine Schwangerschaft verlief eigentlich total unkompliziert. Eigentlich…Körperlich ging es mir super, mal abgesehen von der extremen ganztägigen Übelkeit am Anfang. Und das vergisst man dann ja auch ganz schnell wieder. Psychisch ging es mir leider nicht so gut. Während ich zu Beginn der Schwangerschaft noch einigermaßen locker war, machte ich mir mit der Zeit immer mehr Sorgen. Das lag vielleicht daran, dass ich wegen Infektionsgefahr am Arbeitsplatz recht früh einem Berufsverbot unterlag und dadurch sehr viel Zeit hatte, mir Gedanken um alles mögliche zu machen. Vielleicht auch daran, dass ich selber Ärztin bin und dadurch weiß, was alles sein kann. Oder auch daran, dass ich in meiner jetzt reichlich vorhandenen Zeit zu viele (geschenkte) Schwangerschaftsratgeber gelesen habe. Und den großen Fehler machte, im Internet zu googeln. Ein klares Don’t als eh schon hypochondrische Schwangere, das weiss ich jetzt.

Ständig hatte ich also Angst, dass dem Würmchen in meinem Bauch etwas zustoßen könnte, zum Beispiel durch eine Lebensmittelinfektion. Obwohl das Risiko für so etwas verschwindend gering ist. Während andere Schwangere vielleicht auf rohen Fisch oder Salami verzichten, traute ich mich irgendwann nicht einmal mehr ins Restaurant zu gehen. Das hat mich ziemlich belastet und mir viel von meiner Lebensfreude geraubt. Und meine Arme sahen schon aus wie die eines Junkies, weil ich so oft beim Blutabnehmen war – nur um sicherzugehen, dass wirklich nichts ist… Die meiste Zeit dachte ich selbst damit fertig werden zu müssen, bis mein Mann mir nahelegte mir Hilfe zu holen, weil er das Ganze nicht mehr mit ansehen könne. Das war mir zunächst ziemlich unangenehm – mir ging es nach aussen hin ja gut, ich hatte bis zum Schluss nur 9 Kilo zugenommen und es gab keinerlei Komplikationen. Ich wandte mich an die Beratungsstelle für natürliche Geburt, wo ich dann für zwei Gesprächstermine hinging. Ich erfuhr dort, dass viele schwangere Frauen sich solche Gedanken machen, dass dies auch durch die hormonelle Umstellung bedingt sein kann und lernte ein paar Strategien, wie ich besser mit meiner Situation klarkomme. Wäre ich dort nur schon früher hingegangen. Die Sorgen waren zwar nicht weg, aber ich konnte besser mit Ihnen umgehen.

Um endlich von dem Gedankenzirkus in meinem Kopf erlöst zu werden, fieberte ich dem Entbindungstermin sowas von entgegen. Leider liess sich die kleine Madame etwas mehr Zeit, was mich total fertig gemacht hat. Als der Termin verstrichen war, schaltete ich mein Handy auf stumm und löschte WhatsApp, weil ich die ständigen Nachfragen ob sie denn schon da sei nicht mehr aushielt. Ich wollte nichts mehr unternehmen und hatte ständig schlechte Laune, weil mich die Ungewissheit nervte wann es denn nun losgehen sollte. Ausserdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon seit fast zwei Wochen schmerzhafte Vorwehen.

Los ging es dann am Nachmittag des 17.05.2015, ein Sonntag. Am Vormittag war der Schleimpfropf abgegangen, ich war ein bisschen aufgeregt, machte mir aber noch keine großen Hoffnungen. Da ich schon wieder unter unangenehmen Vorwehen litt, legte ich mich am Nachmittag in die Badewanne. Da lag ich dann, deprimiert und voller Selbstmitleid- und auf einmal hatte ich eine so schmerzhafte Kontraktion, dass ich sie veratmen musste. Die Kontraktionen kamen dann auch regelmäßiger alle 8-12 Minuten und mir wurde klar, dass das wohl keine Vorwehen mehr sind. Ich freute mich wie verrückt. Die Geburt selber hatte ich mir immer wie ein großes Abenteuer vorgestellt und nun sollte es endlich beginnen! Voll motiviert lackierte ich mir noch die Zehennägel (Hauptsache gut aussehen bei der Geburt, haha…) und kochte Nudeln. Das Essen konnte ich dann aber nicht mehr so richtig genießen, da die Wehen zu dem Zeitpunkt schon alle 5 Minuten kamen. Es war 20.30 Uhr als wir beschlossen ins Krankenhaus zu fahren, und während ich mich anzog kamen die Wehen schon alle 3 Minuten und waren ziemlich heftig, was mich in leichte Panik versetzte. Sollte das Ganze so schnell gehen bei mir?

Im Auto machten wir laute Musik an, sodass ich ungehemmt mitstöhnen konnte.
Als wir in der Klinik angekommen waren, wurde ich natürlich erst ans CTG angeschlossen. Die Wehen waren im Sitzen kaum noch auszuhalten und ich krümmte mich vor Schmerzen. Bei der Untersuchung durch die Hebamme dann die Ernüchterung: Muttermund Finger einlegbar und sacral…I ch bekam ein Buscopan-Zäpfchen zur Entspannung, wir wurden aufs Zimmer geschickt und sollten in 2 Stunden wieder in den Kreißsaal kommen. In der Zeit spazierten wir die Klinikflure auf und ab, ich hängte mich im Bad an den Handtuchhalter oder an meinen Mann. Die Schmerzen waren nur auszuhalten, solange ich nicht saß oder lag. Leider tat sich in dieser Zeit wirklich gar nichts am Muttermund, sodass die Hebamme bei der nächsten Untersuchung meinte, ich solle mich am besten hinlegen und ausruhen, da es noch sehr lange dauern könne. Da war es bereits Mitternacht und ich hatte Wehen seit 4 Uhr nachmittags. Mich bei diesen Schmerzen hinzulegen und zu entspannen kam mir zu dem Zeitpunkt vor wie ein schlechter Witz, ich spazierte und turnte also weiter. Trank literweise Flüssigkeit und aß Müsliriegel, ich fühlte mich wie ein Leistungssportler.

Gegen 3 Uhr nachts holte uns die Hebamme in den Kreißsaal, ich wurde wieder ans CTG angeschlossen und bekam einen Zugang gelegt. Sie verfrachtete mich dann in die Wanne, wo ich mich tatsächlich ein bisschen entspannen konnte. Nach einer Stunde baden wieder Untersuchung: Muttermund 1-2 cm. Die Hebamme baute mich auf, da tue sich jetzt ja immerhin was. Ich fand das jetzt nicht sooo den tollen Fortschritt, wollte alleine sein und schloss mich im Bad ein, wo ich die mittlerweile ziemlich heftigen Wehen am Handtuchhalter hängend veratmete und mir immer wieder selbst sagte, dass ich das schon schaffen würde. Als mir eine PDA angeboten wurde, lehnte ich ab. Ich wollte einfach so mobil und aufrecht wie möglich bleiben, weil ich mir erhoffte, dass die Geburt dann schneller voranging und später keine Interventionen nötig sein würden. Außerdem (auch wenn das jetzt vielleicht masochistisch klingt) fühlte ich mich durch den Wehenschmerz mit meinem Kind verbunden und ich wollte diese Verbindung nicht verlieren.

Um 7 Uhr in der Früh war Schichtwechsel bei den Hebammen. Die neue Hebamme untersuchte mich wieder und meinte erfreut, dass der Muttermund jetzt 5 cm geöffnet sei. Juhu!

Leider sackte wenig später mein Kreislauf ab, ich musste mich hinlegen und bekam eine Infusion. Bei der Gelegenheit wurde auch wieder ein CTG geschrieben und so war ich ans Bett gefesselt. Jetzt konnte ich den Schmerz nicht mehr durch Bewegung kontrollieren und ich versuchte immer wieder aufzustehen. Da mein Kreislauf aber immer noch im Keller war und das CTG durch meine Bewegungen nicht richtig aufgezeichnet hatte, musste ich liegen bleiben. Genau das, was ich eigentlich hatte vermeiden wollen und weswegen ich keine PDA gewollt hatte.

Die Hebamme verliess uns dann für einen geplanten Kaiserschnitt und wir waren auf uns allein gestellt. Mein Mann massierte meinen Rücken und ermutigte mich die ganze Zeit, ruhig weiterzuatmen. Aber zwischen den Wehen waren mittlerweile fast keine Pausen mehr zum Erholen und ich hyperventilierte vor Schmerz.

Als die Hebamme wieder da war, wollte ich irgendwas gegen die Schmerzen, nur keine PDA. Ich bekam Paracetamol intravenös, was wirklich gar nichts brachte. Ich probierte den Vierfüßlerstand, aber da konnte das CTG nicht mehr richtig abgeleitet werden und ich musste mich wieder auf den Rücken legen. Ich wollte was Stärkeres gegen die Schmerzen und bekam Meptid. Aber auch hier nur minimale Schmerzlinderung.

Ungefähr ab 10 Uhr vormittags befand ich mich komplett im Delirium, hatte die Augen geschlossen, versuchte nur zu atmen. Irgendwann spürte ich, wie ein Schwall warmer Flüssigkeit aus mir rauslief. Die Hebamme untersuchte mich wieder und meinte, die Fruchtblase sei gesprungen und der Muttermund jetzt vollständig. Wenn ich Pressdrang verspüre, solle ich Bescheid geben…
Ich wartete aber vergeblich auf dieses Gefühl, stattdessen nur Hammerwehen ohne Pausen. Mittlerweile schrie ich nur noch. Währenddessen steckten die Hebamme und die Assistenzärztin ständig ihre Hände in mich hinein und versuchten vergeblich, eine Kopfschwartenelektrode zu legen, weil das CTG von aussen anscheinend schlecht ableitbar war. Die Hebamme forderte mich jetzt auch immer wieder auf zu pressen, was mir aber ziemlich schwerfiel, da ich die Luft vor Schmerz nicht mehr anhalten konnte und wie gesagt keinen Pressdrang verspürte. Ich fühlte mich auch in meiner Position total unwohl, Rückenlage, Kinn zur Brust, Beine angezogen. Ich hatte das Gefühl, dass nichts voranging und stöhnte immer wieder: “Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr!“. Der zuständige Arzt wurde gerufen, forderte mich auch wieder zum Pressen auf und drückte dabei mit aller Kraft auf meinen Bauch. Ich schrie. Er ermahnte mich, ich dürfe beim Pressen kein Geräusch machen, da hätte ich ihn am liebsten angebrüllt, dass er das doch mal in so einer Situation versuchen soll. Ich war komplett erschöpft. Ich erinnere mich noch, dass die Hebamme irgendwann sagte: “Der Herr Doktor hilft Ihnen jetzt ein bisschen“. Ab dem Zeitpunkt bestand ich gefühlt nur noch aus Schmerz. Ich erinnere mich nur bruchstückhaft an das, was dann passierte. Vor allem aber an das Gefühl des Ausgeliefertseins – als wäre mir komplett die Kontrolle über die Situation entglitten. Hektisch wurde das untere Ende vom Kreißbett weggeschoben, meine Beine auf diese Schalen gelegt und ich bekam einen Blasenkatheter. Ich hatte einen Krampf im Bein, was wirklich übel war, weil ich meine Beine ja nicht mehr bewegen durfte. Ich spürte, wie der Arzt den Dammschnitt machte, alles ohne Betäubung. Dann warf sich die Assistenzärztin auf meinen Bauch, währenddessen setzte der Arzt die Saugglocke an, stemmte sich mit vollem Gewicht dagegen. Die Saugglocke rutschte ab, knallte auf den Boden. Eine neue Saugglocke wurde geholt, rutschte wieder ab. Ich hatte das Gefühl gleich sterben zu müssen. Ich hörte, wie der Arzt die Geburtszange verlangte. Sagte, ich solle jetzt nochmal versuchen mitzupressen. Ich dachte nur wie soll das denn gehen, aber ich versuchte trotzdem irgendwie nochmal, alle meine Kräfte zu mobilisieren, einfach weil ich wollte dass dieser Horrortrip ein Ende hat… Also presste ich, bis mir schwarz vor Augen und ich fast ohnmächtig wurde und währenddessen wurde unsere Tochter mit der Zange aus mir herausgezogen. Sie schaute mit dem Gesicht nach oben, war also ein Sternengucker. Sie hatte sich anscheinend noch während der Geburt gedreht und deshalb war das Köpfchen zum Schluss hin nicht tiefer ins Becken getreten. Dadurch war es zum Geburtsstillstand gekommen, weshalb letztendlich eingegriffen werden musste. Ich wurde nach der Geburt noch ziemlich lange genäht, was ich aber nicht mehr schlimm fand, weil sie währenddessen auf meiner Brust lag. Die krassen Schmerzen waren wirklich sofort vergessen. Es war Montag, der 18.05.2015 zur Mittagszeit, draußen schönstes Maiwetter, und ich war unendlich glücklich und unfassbar stolz, gerade dieses rote, verschrumpelte, krähende Wesen auf die Welt gebracht zu haben.

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Im Nachhinein erfuhr ich, dass bei Sternenguckern die Geburt oft sehr kompliziert ist und lange dauern kann. Insgesamt waren es bei mir 20 Stunden. Ich denke mir jetzt, dass ich mir mit einer PDA vielleicht einige Schmerzen, vor allem am Schluss bei Einsatz von Saugglocke und Zange erspart hätte, würde es aber immer wieder so machen. Die ersten Tage nach Majas Geburt im Krankenhaus war ich zwar ziemlich geschafft, aber vor allem froh, dass es ihr gut ging. Denn direkt nach der Geburt sah sie ziemlich mitgenommen aus, hatte eine riesige Beule am Kopf und rote Striemen im Gesicht. Erst daheim merkte ich, dass ich noch ziemlich durch den Wind war, genauso wie mein Mann, der eigentlich nicht mal Blut sehen kann. Ich fragte mich permanent, ob ich irgendwas hätte anders machen können und kreiste in Gedanken ständig um die Geburt. Was mir bei der Verarbeitung geholfen hat, war darüber zu sprechen, zum Beispiel nochmal mit meinem Mann – auch wenn es für uns beide etwas unangenehm und aufwühlend war –oder mit anderen frischgebackenen Mamis. Und mittlerweile habe ich meinen Frieden damit geschlossen, denn ich weiß jetzt, dass ich mein Bestes gegeben habe. Und man kann eine Geburt einfach nicht planen oder vorhersagen wie es sein wird. Man kann sich einfach nur drauf einlassen und annehmen, was passiert.

Was ich gelernt habe:

Leichter gesagt als getan: man sollte sich in der Schwangerschaft vor allem auf sein Bauchgefühl verlassen. Nicht zu viel lesen, nicht zu viele Untersuchungen machen, nicht verunsichern lassen. Der Körper macht das schon alles richtig in den meisten Fällen.

Bei der Geburt gilt: es kommt wie’s kommt. Man sollte wirklich auf alles vorbereitet sein, von der unkomplizierten Spontangeburt bis zum dramatischen Notkaiserschnitt. Dann ist es auch nicht ganz so schlimm, wenn’s nicht so läuft wie man es sich wünscht.

Laut sein tut gut. Ich dachte immer, dass ich bei der Geburt ganz bestimmt nicht schreie. Und dann schrie ich so laut, dass man mich wahrscheinlich in der ganzen Klinik gehört hat. War aber das einzige, was mir wirklich gegen die Schmerzen geholfen hat.

Wenn man durch die Geburt etwas mitgenommen ist hilft es ungemein, sich mit anderen Mamis über deren Geburten zu unterhalten. Denn dann sieht man, dass auch bei den anderen nicht immer alles glattgelaufen ist. Wenn man schwerer traumatisiert ist schadet es aber bestimmt nicht, sich professionelle Hilfe zu holen.

Wie gut die Zehennägel lackiert sind, interessiert im Kreißsaal wirklich niemanden. Auch nicht, was man anhat 😉 Trotzdem finde ich nicht, dass man jegliches Schamgefühl verliert, nur weil man gerade ein Kind bekommt und man sollte alles dafür tun, sich in seiner Haut wohlzufühlen.  

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Tausend Dank liebe Man für Deine Geschichte und deine totale Offenheit. Ich (Camilla) kann von A bis Z nachempfinden, wie Du dich gefühlt hast. Und obwohl ich nie einen Kaiserschnitt wollte, war ich am Ende sehr dankbar, dass ich so von den Schmerzen befreit wurde. Und am Ende zählt einfach nur, dass das Baby gesund ist!

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Für unsere Serie “The Day that…” freuen wir uns über jede Mummy unter Euch, die einen Gastbeitrag schreiben und ihre Erlebnisse mit uns teilen möchte – Bei Interesse schreibt uns eine Nachricht an: info@mummy-mag.de