
The Day that…
Theo was born
Unsere Gast-Mummy Franzi hat nicht nur ihr erstes Sternengucker-Baby natürlich zur Welt gebracht, auch Baby Nummer 2, der kleine Theo, kam als Sternengucker spontan zur Welt. Wie sehr sich die beiden Geburten trotzdem voneinander unterschieden, hat Franzi für uns aufgeschrieben. Diese Woche gibt es Teil 2, mit Baby Theo und Franzis 3 Tagen wach (nicht von Lützenkirchen). Wir sind – mal wieder – den Tränen nahe…
#PostNatalerHormonRausch
“Sage niemals einem Geburtsmediziner, dass du planst, dein Kind im Geburtshaus auf die Welt zu bringen.”
In meiner zweiten Schwangerschaft beschlossen wir, nach einiger Überlegung, wieder im Geburtshaus entbinden zu wollen; weil wir im Krankenhaus nicht eher das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit hätten und Hebammen vertrauen, Kinder ohne Medikamente und technische Geräte auf die Welt zu bringen.
Meine Hebamme traf ich dann auch erst im 6. Monat, leider unter erneut medizinisch verunsicherten Umständen:
Der negative Toxoplasmose-Befund konnte mich diesmal nicht schocken – ich traute mich auch mal Fleisch nicht well done und Mozarella zu essen und sparte einige Blutabnahmen.
Stattdessen durfte ich mich nun regelmäßig in die Finger pieksen, weil der initiale Blutzuckertest schlecht verlief: Diagnose Schwangerschaftsdiabetes.
Der Langzeittest zuhause mit dem Blutzuckermessgerät war zwar immer unauffällig, trotzdem durfte ich nun alle 2-3 Wochen zur Schwangerendiabetes-Sprechstunde ins Krankenhaus. Dort wurden Theo und ich mehrfach auf Herz und Nieren und Wachstum und überhaupt durchleuchtet. Weil wir keine Feindiagnostik hatten, störten mich die zusätzlichen Babybilder nicht; für Theo war es wahrscheinlich etwas unangenehmer…
Natürlich wollte ich, trotz guter Folgebefunde, auf Nummer sicher gehen, dass wir eine Geburt ohne Diabetes-Komplikationen (u.a. übermäßiges Gewicht und Anpassungsprobleme beim Baby) erleben und eine gesundes Baby zur Welt bringen könnten. Gerade, weil wir weiterhin im Geburtshaus entbinden wollten, war diese Absicherung allerseits wichtig und sinnvoll.
Die Ärzte wurden natürlich auch nicht müde, zu erwähnen, wie risikoreich eine Nicht-Krankenhausgeburt wäre – unter jeden Umständen, aber besonders natürlich meinen.
Da ich diese Warnungen und Diskussionen bereits aus der Schwangerschaft mit Rosa kannte, beließ ich es mit “Zur-Kenntnisnahme” und der Absicherung, dass es unserem Baby gut geht – was nachweislich auch immer der Fall war, bis…
… 4 Tage vor Theos Geburt:
Ich hatte meinen letzten Krankenhaus-Diabetes-Sprechstunden-Termin, der, zwei Wochen nach dem letzten Termin, nur noch einmal bestätigen sollte, dass Theo normal entwickelt ist und sich mein Blutzucker weiter im Normalniveau bewegt. Weit gefehlt, denn die Diagnose lautete: Plazenta-Insuffizienz, zu wenig Fruchtwasser, Kindesgewicht um 300 g weniger bei etwa 2.700 g.
Nun könnte jeder nicht-emotionalisierte Mensch denken, dass die Plazenta natürlicherweise zum Geburtstermin ihre Funktion langsam aufgibt, das Fruchtwasser auch mal weniger sein kann, aber immer nachgebildet wird und eine Messabweichung im Gewicht bei Ungeborenen schon mal vorkommen kann.
Die Erläuterungen des Arztes ließen jedoch keinen Zweifel, dass dies die Folgen der (doch vorhandenen) Diabetes waren und die Geburt sehr risikoreich wäre bzw. das Kind gefährdet.
Die Empfehlung des Arztes: Geburt schnellstmöglich einleiten. Termin: 14.04.2015 – 12 Tage vor dem errechneten Geburtstermin.
Auch meine Hebamme bestätigte mir am Telefon, dass dies wohl sinnvoll wäre bzw. ich nach diesem Befund wahrscheinlich nicht im Geburtshaus entbinden dürfte/sollte.
Ich erbat mir einen Tag Bedenkzeit. Insgeheim hoffte ich, dass Theo die Geburt, mit etwas natürlicher Hilfe, selber in Gang bringen würde – schließlich war der Muttermund schon 3 cm geöffnet.
Gefangen zwischen Ratlosigkeit, Sorge, Enttäuschung, Hoffnung und Vorfreude organisierten Roman und ich an diesem Nachmittag noch ein paar Dinge und brachten Rosa bei meinen Eltern unter. Ich war ein Nervenbündel und an wehenfördernde Entspannung war nicht zu denken.
Trotzdem ein letztes Mal (und seit langem mal wieder): Ausschlafen und Sektbrunch. Am Nachmittag kamen wir im Krankenhaus an und wurden nach einem CTG erst einmal wieder weg geschickt, weil wir nicht früher da waren und “nun alle Kreißsäle belegt” waren.
Nach einem schmalen Abendessen kamen wir 20 Uhr wieder und durften wieder ans CTG – es folgte Warten. Gegen 22 Uhr wurden wir unserer ersten Ärtzin vorgestellt, die mir “nur eine halbe” Prostaglandin-Tablette zur Reifung des Muttermunds gab, “damit ich die Nacht noch ruhig schlafen kann”.
Daraus wurde leider nichts, denn die 15-minütigen starken Wehen machten schlafen so unmöglich, dass ich mir allen Ernstes, auf Anraten der Schwester, Schmerzmittel geben ließ. Allein im nächtlichen Kreißsaal, erwischten mich die Nebenwirkungen vollends: Ich fühlte mich, als hätte ich den miesesten Kater seit meinen wilden 20ern. Ich hätte mich nicht mal zum k***zen zur Seite drehen können. Nach ganzen 4 Stunden Schlaf kam das Hebammenteam 1 zu mir ans Bett und stellten fest: Muttermund bei 3cm.
Sie wollten aber meinem Wunsch entsprechen vor dem letzten Mittel “Wehentropf” natürliche Mittel zu probieren.
Nachdem ich also akkupunktiert und der Eipol abgelöst wurde, durfte ich mit Roman zwei Stunden auf dem Gelände spazieren gehen. Bei bestem Wetter blieben wir also alle 7 Minuten und 20 Meter stehen, um Wehen zu veratmen.
Zurück im Kreißsaal stellten die Hebammen fest: Muttermund 3-4 cm.
Um 12 Uhr wechselte das Hebammenteam und ich wurde etwa 13 Uhr an den Wehentropf angeschlossen. Bereits um 15 Uhr kamen die Wehen alle 2 Minuten und wir atmeten und tönten was das Zeug hält …aber nichts bewegte sich.
Mittlerweile war ich 4 Stunden an Tropf und mobilem Dauer-CTG angeschlossen, was die Sache keineswegs erleichterte. Wir hörten nebenan Arien-singende Frauen, die nach einer halben Stunde gebaren. …und wir arbeiteten und kämpften und quasi nichts passierte. Befund: Muttermund 4-5cm.
Um 18 Uhr wechselte das Hebammenteam erneut und mir wurde nahegelegt, eine PDA zu nehmen. Kaum dass ich das Wort hörte, brach ich in Tränen aus. Hätte mich Roman nicht sowieso alle 2 Minuten stützen müssen, wäre es jetzt nicht aufgefallen, dass ich komplett erschöpft und willenlos in seine Arme sank. Die Welt um mich und auch die Schmerzen wurden völlig nebensächlich. Ich dachte an Rosa, von der ich mich gar nicht richtig verabschieden konnte, im Zweifel wann und sogar ob ich sie wieder sehe. Ich dachte an unser Baby, dass noch gar nicht auf die Welt wollte und doch gezwungen wurde.Ich fühlte mich wie in einer Sackgasse ohne Möglichkeit auf Umkehr.
Voller Angst und Ratlosigkeit stimmen wir der PDA zu.
Wir wurden in einen anderen Kreißsaal gebracht. Es folgte Warten …unterbrochen von Wehen alle 2 Minuten.
Mittlerweile bekam ich ein automatisches “5-Minuten”-Blutdruckmessgerät und einen weiteren Schlauch für einen Liter-Beutel Elektrolytlösung intravenös angeschlossen.
Als der Hebamme auffiel, dass ich seit Stunden nicht mehr auf Toilette war und meine Wehenschmerzen Richtung Niere wanderten, wurde mir der erste von drei Blasenkathetern gelegt – zwischen den 2-Minuten-Wehen, ohne PDA, mit komplett hartem, schmerzendem Beckenboden, willenlos. Es folgten apathisches Warten und Fluchen während den Wehen.
Gegen 20 Uhr kam der Arzt in den Kreißsaal, um die Vermutung der Hebamme zu bestätigen, dass mein Baby in der hinteren Hinterhauptslage liegt. Theo würde also auch ein Sternengucker werden? Einen Ultraschall, mehrere Muttermundsbefunde und einem Versuch Theo zu drehen später wurde dies bestätigt. Ich wusste ehrlich nicht, ob ich das witzig oder traurig finden sollte; denn schließlich ist ein Sternengucker so selten wie ein Sechser im Lotto. Es folgten Warten und Fluchen und dank Wehenhemmer eine 4-minütige Wehenpause.
Roman wurde zum regelmäßigen Besucher bei den Hebammen im Flur, um nach der PDA und dem weiteren Vorgehen zu fragen.
Die Anästhesistin legte mir die PDA gegen 22 Uhr (!) während x Wehen, mit Zittern vor völliger Erschöpfung und Müdigkeit, Angst und Hoffnung auf ein Ende. Es folgte Warten und Schlauch-Kabel-Handling bei jeder Bewegung.
Als ich nach einer halben Stunde immer noch kein Kribbeln in den Beinen spürte, die Anästhesistin den Zugang ohne Erfolg “korrigierte” und nach einer weiteren Stunde in den OP mit den Worten “Ich werde Ihnen wohl eine neue PDA legen müssen.” gerufen wurde, wuchs meine Ratlosigkeit und Verzweiflung ins Bodenlose. …ich war drauf und dran nach einem Kaiserschnitt zu fragen – hätte neben meiner Kraft nicht auch meine Stimme längst versagt und Roman, wie auch die Hebammen mit gutem Zureden etwas Zeit geschunden. Es folgten Warten und Weinen.
Um 2 Uhr nachts wurde mir meine zweite PDA gelegt – mit Wehenhemmer, höchstmöglicher Konzentration und Kraftlosigkeit. Die PDA wirkte nach einer halben Stunde und wir durften zwei Stunden schlafen – komatös. In dieser Zeit wurde die Gabe des Wehenmittels kontinuierlich erhöht, sodass ich von den erneuten Wehen pünktlich aufwachte. Die Gabe des Anästhetikums konnte ich mit einem Knopf bis zu einem gewissen Grad selber erhöhen- was nach 30 Stunden Wehen und meiner kaum noch vorhandenen Schmerztoleranz auch notwendig war. Trotzdem wollte ich die Wehen für den letzten Geburtsschritt und vor allem Theos Bewegungen noch spüren. Das CTG bestätigte zwar immer, dass es ihm nahezu blendend ging, doch ich wollte unseren Kontakt nicht abbrechen, ihn nicht allein, lassen.
Nun endlich stellten die Hebammen fest: Muttermund 10 cm.
Jetzt, bei neuem Bewusstsein und etwas erholt verstand ich: Die PDA hatte den Beckenboden entspannen lassen, sodass auch das Wehenmittel den Muttermund öffnen konnte. ..der allseits beschriebene Kreislauf und die Abhängigkeit bei Medikamentengabe und PDA während der Geburt.
Es folgte nochmal Warten: Theo musste noch weiter ins Becken sinken. Zur Überwachung hing mir die Hebammenschülerin eine Stunde lang direkt hinterm Po, um bei jeder Wehe zu kontrollieren, ob und wie weit sich was tut. Ehrlich: Man verliert während der Geburt einige Scham, aber das war entwürdigend! Ich versuchte dieses Gefühl also weg zu schlafen, in der Vorfreude, bald mein Baby im Arm halten zu können – aber auch in der Angst um eine weitere Sternengucker-Geburt á la Rosa.
Gegen 5 Uhr morgens versuchte ich dann Roman zu wecken, weil die Hebamme meinte, wir könnten jetzt mal versuchen zu pressen. Nach 10 Minuten stand mein schlaftrunkener Mann auf, zog sich innerhalb von 30 Sekunden eine halbe Riesentafel Milka Toffee hinter und saß dann an meiner Seite.
3 Presswehen und etwa 10 mal harmloses Pressen später, schaute Theo Roman um 5:29 Uhr direkt an, als er auf die Welt kam. Unser zweites Sternengucker-Baby gesund und munter: 52 cm – 3.480 g. Die Plazenta: kaum verkalkt.
Damit sollte die Geschichte eigentlich zu Ende sein – ist sie aber nicht:
Noch während Theos erster Untersuchung unter grellem Licht fing ich am ganzen Körper an zu zittern, woraufhin mir intravenös ein Beruhigungsmittel gegeben wurde.
So konnten Roman und ich noch etwa Theos erste Stunde zusammen erleben, dann schlief ich tief mit meinem Baby im Arm ein und Roman fuhr nach haus, um ein paar Stunden Schlaf zu bekommen. In meinen Wachphasen wurden meine Sachen zur Verlegung in die Wöchnerinnenstation zusammen gesucht, ich im Bett mit Sack und Pack und Theo im Arm komplett abwesend durch das ganze Krankenhaus dorthin gefahren, mir eine Einweisung und diätisches Frühstück gegeben, Theo mit den Worten der Schwester “So ein süßer Kleiner; so einen hätte ich auch gern.” zum Waschen (!) abgeholt und irgendwann wiedergebracht und 2 Diabetes-Tests bei Theo gemacht. Zur Mittagszeit war ich wieder ansprechbar und am Nachmittag schlichen ganz zaghaft und neugierig mein großes, süßes Mädchen und mein starker, tapferer Mann durch die Zimmertür in meine Arme. Nach so vielen Tagen voller Unsicherheit und Angst war das mein größtes Glück!
Weil Theo und ich gesund waren, baten wir ambulant entlassen zu werden – ohne Reaktion. Es folgte Warten.
So mussten wir Rosa schweren Herzens mit ihrer Oma abends nachhause schicken und konnten erst um 23 Uhr unsere erste gemeinsame Nacht im eigenen Bett verbringen …mit ganz viel Ruhe und Glückseeligkeit.
Ein kurzer Nachtrag:
- Eine Geburt wie Theos ist wirklich nicht wünschenswert – für keine Frau, keinen Partner und kein Baby.
- Ich habe meine Geburt als extern erzwungen, fremdbestimmt, angstvoll, kraft- und willenlos, sogar teilweise entwürdigend erlebt.
- Mein Mann wurden kaum in die Geburt eingebunden, und ihm wurden die ersten, wichtigen Minuten und Stunden mit seinem Kind genommen.
- Theo wurde durch das Einleiten der Geburt seines ersten Willen, seiner ersten selbstbestimmten Handlung, beraubt. Ich kann nur hoffen, dass er sich während der PDA nicht allein und verlassen fühlte, dass wir unseren Draht zueinander hatten – so, wie ich uns eine harmonische und liebevolle Mutter-Kind-Bindung für unser gemeinsames Leben wünsche.
- ABER: Das Ergebnis ist alle Mühen und Ängste wirklich x-fach wert.
Liebe Franzi, wir leiden beim lesen förmlich mit dir, welch physischer und psychischer Stress die vielen Stunden unter der Geburt auf dir gelastet hat. Deine Geschichten zeigen, wie wichtig es ist und wie gut es tut, jemanden bei sich zu haben, mit dem man “das Leid” teilen kann – sei es die Hebamme oder der Partner. DANKE für deine beiden Geschichten.
Ob wohl (d)ein drittes Kind auch ein Sternengucker wäre? Lass es uns unbedingt wissen.
Für unsere Serie “The Day that…” freuen wir uns über jede Mummy unter Euch, die einen Gastbeitrag schreiben und ihre Erlebnisse mit uns teilen möchte – Bei Interesse schreibt uns eine Nachricht an: info@mummy-mag.de
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