Über die neuen Hausfrauen,
die keine sind
Neun Monate lang habe ich für den “Mama Styleguide” nach ihnen Ausschau gehalten. Jetzt springen sie mir förmlich entgegen: Vollzeit-Mütter, die ganz in der Erziehung und Fürsorge ihrer Kinder aufgehen und dies auch nach außen kommunizieren. Ohne dabei – wie offenbar in verstaubten Hirngespinsten verankert – innerlich oder äußerlich zu verlottern.
Die Debatte ist entfacht. Durch diverse Publikationen und die Vereinbarkeits-Thematik getrieben, melden sich nun dankenswerterweise die Frauen zu Wort, die es erfüllt, ganztägig bei ihren Kindern zu sein.
Erst kürzlich bin ich dazu über einen Artikel im Spiegel gestolpert mit dem Teaser “Die Hausfrau feiert als Lebensmodell junger Akademikerinnen ein Comeback. Ihnen stehen alle Türen offen, doch mit der Geburt der Kinder tauschen viele die Karriere gegen die Kittelschürze. Ist die Emanzipation am Ende?”
Was für eine These! Korrigiert mich, wenn ich irre, aber bedeutet Emanzipation nicht, die Freiheit zu haben, den eigenen Weg wählen zu können?!
Dabei gibt es doch so herrlich unterschiedliche Wege.
Ich versuche das mal in Lebensentwürfen zu skizzieren:
1. Das Entweder-oder-Modell
Den einen war immer schon klar: “Entweder Kind oder Karriere.“ Beides zusammen mache unglücklich. Das sind die Worte, die Headhunter mit Fragezeichen im Kopf zurücklassen. Quoten und Kitas stehen bereit. “Frauen an die Macht” lautet das Mantra des Landes, das von einer Frau regiert wird. Doch manche verbringen den Tag einfach lieber auf dem Parkett im Eigenheim als auf Karriereleitern. Aus freier Entscheidung. Und auch nachvollziehbar in einer Welt voller Unsicherheit und Bedrohungen. Die volle Windel ist schließlich ein lösbares Problem. Und das Kind die Eintrittkarte in ein bewussteres, entschleunigtes Leben. Das klingt gut – “Hausfrau” dagegen klingt weniger sexy. Deshalb ist, wer früher Hausfrau war, heute Mutter in Vollzeit und damit genauso Working Mom wie Berufstätige auch. Nur dass deren Arbeitsplatz eben zufällig im Haus liegt.
Kehrseite der Medaille: Eine Ehe ist keine Rente, und besonders Frauen, die lange Zuhause waren, können in Altersarmut landen. Wer sollte das also regeln: die Politik oder der selbstverantwortliche, mündige Mensch?
2. Das emanzipierte Hausfrauenmodell – 100:50
Wer sich zu Hause vor allem um die Kinder kümmert, überlässt Männern die Macht in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, entgegnen die anderen. Diese Frauen erfüllt die Diversität von Job und Zeit mit Kind. Die Müttererwerbstätigkeit ist rasant gestiegen, aber (der Teufel steckt im Detail) als Teilzeitmodell. Das Resultat: Heute arbeiten mehr Frauen als noch vor 20 Jahren, aber sie arbeiten weniger Stunden im Job. Denn zusätzlich übernehmen sie den größten Teil der in und ums Haus anfallenden Aufgaben. Der Mann rackert in Vollzeit, die Frau Teilzeit, das ist die momentan häufigste Erwerbskonstellation in Deutschland. Modernisiertes Hausfrauenmodell, so bezeichne ich das. Streng genommen, auch nicht wirklich emanzipiert, oder?
3. Das Übermutter-Modell
Im Vergleich: die Zahl der Haushalte, in denen Frauen mehr als 60 Prozent des Familieneinkommens erwirtschaften, liegt in Deutschland nur bei rund zehn Prozent. Und dabei haben die wenigsten der Vollzeit arbeitenden Mütter diese Rolle bewusst gewählt, sondern eher den Umständen zu verdanken.
4. Das egalitäre Modell – 80:80
Als emanzipierte Lösung gepriesen: Die Umverteilung von Arbeitszeit zwischen Männern und Frauen. Beide können bis maximal drei Jahre 32 Stunden, also vier Tage die Woche, arbeiten. Die neue Leistung soll im Anschluss an das Elterngeld gezahlt werden. Das Modell nennt sich „Familienarbeitszeit“ und ist ein Lieblingsprojekt von Ministerin Schwesig, die selbst gerade zum zweiten Mal Mutter wurde.
Doch wer verhilft Müttern zu mehr Respekt in der Gesellschaft? Wer hilft den Männern in Teilzeit vor Weichei-Vorwürfen und der Angst davor, Karriereeinbußen hinnehmen zu müssen? – Dabei finden wir Frauen gerade das sexy! – Und ehrlich gesagt, sieht das ja bei fest angestellten Eltern nochmal anders aus als bei Freiberuflern. Wer lockert bei den Unternehmen die verkrusteten Strukturen? – Schonmal beim Chef nachgefragt? Und wie hat er reagiert? – Das können nur wir selbst bewegen!
Das Elterngeld ist am 1.1.2017 zehn Jahre alt geworden. Und was hat es bewirkt? Madeleine hat kürzlich erst in einem Artikel gefragt, ob wir die emanzipierten Schweden als Rolemodel brauchen? Sieht ganz danach aus. Denn hierzulande nutzen viele Familien die staatliche Unterstützung bisher, um gemeinsam länger zu reisen. Das hat natürlich auch viel für sich, hilft den arbeitswilligen Müttern nur leider nicht. Die Süddeutsche weiß, „mehr als jeder dritte Mann, der erstmals Vater wird, beantragt mittlerweile Elternzeit. Der Haken an dieser vorbildlichen Entwicklung: 80 Prozent der Väter nehmen für die Kinderbetreuung nur zwei Monate frei – die Mindestzeit, um einen Anspruch auf Elterngeld in den sogenannten Partnermonaten zu bekommen.“ Schade. Ziel verfehlt.
Ich beispielsweise, Mutter zweier Söhne momentan im erfüllten “modernisierten Hausfrauenmodell” auf dem Weg zum „egalitären Modell“ brauche Kinder, Spaß, Liebe, Sex, Sport, Urlaub (vom Mamasein), aber auf jeden Fall auch meinen Job zum Glücklichsein. Sonst bin ich unausstehlich. Und was hätten meine Kinder von einer unausstehlichen Mutter, selbst wenn sie 24/7 an ihrer Seite wäre?
Titelfoto: Nina Bungers von Pinspiration fotografiert von Jules Villbrandt
Bei den Bungers sieht es übrigens folgendermaßen aus: Dr. Simon Rolf Bungers ist Gründer und Geschäftsführer | CEO von labfolder, Nina freiberufliche Redakteurin & Pinterest-Beraterin und daher flexibler in ihren Arbeitszeiten. Sie leben ein 70:30-Modell: Unter der Woche ist Nina zuständig für Kita-Touren, einkaufen, kochen, Haushalt, Friedrich bespaßen, ins Bett bringen, am Wochenende holt Simon die Zeit mit dem Kleinen auf.
Janine ist Mama von Philo (3) und Quinn (3 Monate), Mitbegründerin des MUMMY MAG Paper, außerdem Autorin des Mama Styleguide , was sich beides – im Gegensatz zu so mancher Modeerscheinung – ganz vorzüglich mit dem Mama-Sein vereinen lässt. Und weil ihr neben der Mode noch viele andere Themen über den Weg sausen, die sie humoristisch garnieren kann, tut sie das auch hier!
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