Sonntagmorgen (also so gegen Mittag) gucke ich mal in die Kinderzimmer, was meine Söhne denn so treiben, und bitte sie zum Essen. Mein 13-jähriger Sohn blickt kurz auf: „Hallo Mama, wie siehst du denn aus?“

Meine Eltern hatten eine Party

Dann sagt er: „Meine Eltern hatten gestern eine Party.“ Er erklärt es seinem Freund. Der Freund ist nicht bei uns zu Besuch, sonst würde er sich das bei meinem Anblick und dem Zustand der Wohnung schon selbst denken können. Die beiden telefonieren auch nicht, sondern sie sprechen über ein Headset miteinander, während sie ein Online-Spiel spielen.

Das ist die Art von Spiel, bei denen meine Kinder immer „Geht gerade nicht!“ antworten, wenn ich sie zum Essen rufe. Denn – und ich habe es mir schon oft erklären lassen – man spielt online, quasi live, und da kann man nicht einfach aufhören oder Pause drücken. Das Spiel geht immer weiter, entweder mit oder ohne meine Söhne.

MUMMY MAG Party Location
Bild von Christine Foetzki

Das ist ein bisschen so, wie bei mir früher auch, als ich pünktlich um 22 Uhr von einer Feier zu Hause sein musste. Die Feier ging weiter, egal ob mit oder ohne mich. Das war doof, aber meine Eltern wollten mich dadurch bestimmt irgendwas Wichtiges lehren. Jedenfalls hat man als Mutter oder Vater schnell verloren, wenn man dem grenzenlosen Online-Spielen verständnisvoll nachgibt. Denn dann kommen die Kinder niemals wieder zum Essen.

Also sage ich, leicht vorgebeugt in das Mikro vom Headset: „Man sollte immer aufhören, wenn es am Schönsten ist! Viele Grüße, Marvin, hier ist die Mutti.“ Und mein Sohn brummelt irgendwas peinlich berührt und kommt doch zum Essen. (Anmerkung der Autorin: Das Kind heißt natürlich nicht Marvin, ich nenne ihn nur so. Er heißt irgendwie mit M.)

Kartoffelsalat mit Würstchen

Es gibt Kartoffelsalat mit Würstchen, dazu Reste von der köstlichen Gulaschsuppe. Ein bisschen Kassler mit Sauerkraut und Ananas im Blätterteig ist auch noch da. Die Weintrauben-Käse-Spieße und die gefüllten Eier sind leider schon aufgegessen. Wer hat schon erraten, welche Party wir gefeiert haben? Die 80er-Jahre sind voll im Kommen!. Ich habe da so ein Gefühl: Neon, Leoparden-Leggings, Schulterpolster und Dauerwelle sind bald wieder der heißeste Scheiß. Und falls nicht, dann braucht man sie auf jeden Fall zur entsprechenden Motto-Party.

Die Vorbereitungen sind denkbar simpel: Einfach die Möbel im Wohnzimmer oder Esszimmer an die Seite oder ganz raus räumen, ein paar Stühle an der Wand lang aufstellen und eine Discokugel aufhängen. Fertig. Das hat gleich so ein Flair, als wären die Eltern über das Wochenende verreist. Du hast sturmfreie Bude und deine halbe Schule zu einer Fete eingeladen – mit dem einen feinen Unterschied, dass du ohne Bedenken die Bar plündern darfst. Denn es ist deine Bar.

MUMMY MAG Party Bar
Bild von Christine Foetzki

Deine Gäste bittest du um einen für die 80er-Jahre typischen Beitrag zum Buffet (im Zweifel fragen sie ihre Mütter). Da kommen schöne kulinarische Erinnerungen hoch. Also natürlich nicht, außer ihr übertreibt es mit Piña Colada, Cola Rum oder Schlammbowle. Genau, wie früher.

Weg war er

MUMMY MAG Party 80er
Bild von Christine Foetzki

Zu meiner Vorbereitung gehörte natürlich auch Haare und Makeup. Meine Mähne habe ich stundenlang hochtoupiert, bis ich am Ende wie Peggy Bundy aussah, die Frau von Al Bundy aus „Eine schrecklich nette Familie“. Dank tonnenweise Haarspray hielt die Frisur sogar über Nacht.

Das muss mein Sohn also vorhin gemeint haben, als er mich fragte, wie ich denn aussehe. Beim 80er-Jahre-Makeup gilt „Viel hilft viel“ und „Je mehr Farbe, desto besser“. Es hat richtig Spaß gemacht, sich so anzupinseln: pinke Fingernägel, blauer Kajal, gelb und grüner Lidschatten, Rouge und rosa Lipgloss.

Bevor die Fete gestern richtig losging, hat mein 16-jähriger Sohn mich gesehen und angekündigt: „Ich bleibe den ganzen Abend oben.“ Weg war er. Schade. Dabei hätten wir ihm so viel über unsere wilde Jugendzeit erzählen und zeigen können. Da gab es den einen gut aussehenden Jungen mit vollem Haar, der sich mit dem Zauberwürfel ins Arbeitszimmer verkrümelt hat.

Oder den französischen Austauschschüler, der uns in seine spezielle Welt der 80er-Jahre French-Disco entführte (Voyage, voyage). Da gab es die coolen Jungs mit den verwaschenen Jeans, T-Shirt und Bikerjacke, die mit ihren eigenen Mofas gekommen waren. Und die stylischen Mädels, die sich das übergroße Jackett ihres Vaters „geborgt“ hatten. Die sportlichen Mädels in den Leggings konnten so toll tanzen, und alle konnten fast jeden Song mitsingen.

Skandal im Sperrbezirk

Musikalisch sind die 80er echt partytauglich. Jeder hat ja wohl auch noch typische Musik aus der Zeit irgendwo auf Kassette oder LP – sonst geht es natürlich auch über einen Streaming-Dienst. Insgesamt war das Tempo der meisten Songs viel langsamer als heutige Tanzmusik.

Damals war wohl die ganze Welt noch langsamer, da gab es kein Burn-out und auch kein Mental Load. Das war wohl die gute alte Zeit, vor der Digitalisierung. Es gab kein Internet und keine Handys. Es gab keine permanente Verfügbarkeit von Informationen, von neuestem Klatsch und Tratsch im Minutentakt und auch nicht die nahezu ständige Erreichbarkeit der besten Freundin.

Die gute alte Zeit

Im Gespräch mit meinen Jungs über früher gerate ich gern mal ins Schwärmen. Je älter meine Kinder werden, desto klarer wird mir, dass sich unsere Kindheit und Jugend so sehr von dem heutigen Aufwachsen unterscheidet. Unsere Söhne sind echte Digital Natives. Wir Eltern leben natürlich inzwischen auch digital und kommen mal mehr, mal weniger gut mit dem ganzen modernen Zeug zurecht.

MUMMY MAG Party Disco
Bild von Stefan Foetzki

Es ist kaum mehr vorstellbar, wie das Leben früher gewesen ist. Da konnte man nach einer megastarken Party bestenfalls mit einer Freundin telefonieren, danach mit der nächsten; und dann bekam man einen Anruf von der dritten, die von einer vierten gehört hatte, dass die fünfte mit einem Typen geknutscht haben soll. Die war aber schon den ganzen Tag nicht erreichbar, weil sie mit ihren Eltern auf Omas Geburtstag fahren musste. Alle diese Telefonate fanden natürlich unter den missbilligenden Augen der Eltern an einem schnurgebundenen Telefonapparat im Flur statt.

Mit viel Glück hatte jemand eine Kamera dabei und konnte trotz der schlechten Beleuchtung ein paar Fotos schießen, die wir uns dann Wochen später angeguckt haben. Aber das war nicht so lustig, denn dann war die Party längst schon wieder Schnee von gestern und die nächste Fete stand ins Haus.

Okay, Boomer!

Auf unserer 80er-Jahre-Revival-Party haben wir mit unseren Smartphones sehr viele lustige Bilder und Videos gemacht. Die haben wir uns dann den ganzen Tag danach in unserer WhatsApp-Gruppe gegenseitig geschickt. Ich habe auch meinen Sohn genötigt, sie anzugucken. Er tat mir den Gefallen und quittierte mit: „Okay, Boomer.“

Bild von Christine Foetzki
Titelbild Jason Leung via Unsplash


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