
Zähl bis fünf.
Wenn du in der Straßenbahn sitzt oder im Wartezimmer beim Arzt. Im Supermarkt oder auf dem Spielplatz. Eins und zwei, das sind meine beiden Jungs. Drei, ein wahrscheinlich achtjähriger Junge mit Smartphone in der Hand. Vier, ein Baby in der Trage der Mutter, warm eingekuschelt. Fünf, ein kleines Mädchen, ordentlich gekleidet, neben der Oma sitzend. Glück gehabt. In meiner Ecke hier in Berlin ist es nicht ganz so schlimm. Was das Gezähle soll? In Deutschland gilt jedes fünfte Kind, bzw. Jugendlicher unter 18 Jahren als arm.
Jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm.

Was hilft gegen Kinderarmut?
„(…) nichts schützt Kinder so wirksam vor Armut wie das Erwerbseinkommen der Eltern. Aber auch eine Reform der Sozialgesetze ist längst überfällig, um die Regelsätze von Kindern und Familien im Sozialgeldbezug bedarfsgerecht anzupassen. Gleichzeitig muss aber auch an anderen Stellschrauben gedreht werden, so bei der Förderung benachteiligter Kinder in Kita und Schule. Hier müssen dringend personelle Voraussetzungen geschaffen werden, um den besonderen Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Viele Kinder aus armen Haushalten haben zudem Nachteile bei der Gewährleistung eines gesunden Aufwachsens. Auch hier fehlt es an tragfähigen Maßnahmen zu ihrer Unterstützung, zum Beispiel einem gesunden und kostenlosen Mittagessen in Kita und Schule oder einer stärkeren Anbindung des Gesundheitssystems an die frühkindliche Bildung.“
Nachdem lange nichts geschehen war, scheint es nun als ob die Große Koalition den Ruf vernommen hätte. In einem ersten Streich investierte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) in Kindertagesstätten und will vor allem den Besuch der Einrichtungen kostenlos machen. Wir haben darüber und über die Kritik daran berichtet.
Nun soll im nächsten Schritt das „Starke-Familien-Gesetz“ beschlossen werden. Ein kostenloses Mittagessen und das freie Busfahren zur Schule wären dadurch gewährleistet. Daneben soll der Kinderzuschlag um 15 Euro im Monat erhöht werden. Auch das Bildungs- und Teilhabepaket wird aufgestockt, das heißt, es wird mehr Geld für alles, was Schulkinder im Alltag benötigen geben – zum Teil nun auch statt als Sach- nun als direkte Geldleistungen.
Ihr ahnt vielleicht: damit werden wichtige, aber allenfalls kleine Erleichterungen geschaffen. Das ist schön, aber eben nicht genug, wenn man Kinderarmut wirklich angehen will. Die Wurzeln des Problems bleiben unangetastet. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass schon jetzt der Deutsche Kinderschutzbund, der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Deutsche Juristinnenbund und der Bundesverband Alleinerziehender Mütter und Väter das Vorhaben als unzureichend kritisieren. Insbesondere Familienkonstellationen, in denen nur ein Elternteil die Verantwortung übernimmt, sind betroffen: 56 Prozent der Alleinerziehenden mit zwei und mehr Kindern gelten als arm.
Als ich mich kürzlich zum „Gute-Kita-Gesetz“ kritisch geäußert habe, wurde entgegnet, es sei doch toll, dass überhaupt etwas geschehe. Man müsse ja nicht immer gleich dagegen sein.
Die Hauptkritik am Gesetzentwurf:
- Nur etwa 30 Prozent der Berechtigten beziehen momentan den Kinderzuschlag. Die Leistung zu beantragen gilt als sehr kompliziert (das Merkblatt dazu umfasst 23 Seiten), so dass in der Praxis die wenigsten Eltern davon profitieren.
- Ähnlich sieht es beim Bildungs- und Teilhabepaket aus: das Instrument hat den Ruf eines Bürokratiemonsters und wird von nur Wenigen tatsächlich auch in Anspruch genommen.
- Das Thema Erwerbseinkommen der Eltern, also das Schlüsselthema wenn es um Kinderarmut geht, bleibt auf der Strecke.
Ich nickte erst innerlich, als ich das las. Man muss keinesfalls immer dagegen sein. Dann fand ich es plötzlich ein bisschen traurig. Müssen wir uns mit Gesetzen zufrieden geben, die offensichtlich vor Problemen strotzen – weil wir dankbar sein müssen, dass überhaupt etwas gemacht wird? Sorry, aber nein. Es ist wichtig die politische Arbeit ganz gründlich unter die Lupe zu nehmen und entsprechend aktiv zu werden. So wie beispielsweise das Bündnis „Starke Kinder, starke Zukunft“. Der Zusammenschluss alleinerziehender Frauen wirbt für ihre Petition (hier kommt ihr direkt zur Petition), in der sie zum Beispiel eine Kindergrundsicherung vorschlagen.
Kindergrund- what?
Statt einzelne kinderbezogene Leistungen separat zu verbessern schlagen die Verfechter*innen der Kindergrundsicherung vor, alles – sprich: Kindergeld, Kinderfreibetrag, manche Modelle nehmen auch Erziehungsgeld, Anerkennung der Erziehungszeiten in der Rentenversicherung und die Familienversicherung in der Krankenversicherung mit auf – automatisch in einen Topf zu stecken und an alle auszuzahlen. Mit steigendem Einkommen würde die Kindergrundsicherung dann abschmelzen, so dass vor allem diejenigen profitieren, die die Hilfe faktisch am meisten bräuchten. Linke und Grüne sind schon länger Fans davon, seit kurzem findet auch die SPD die Idee gut. Schade, dass sie es nicht geschafft hat, die Kindergrundsicherung in das „Starke-Familien-Gesetz“ einzubauen. Weil da gehört sie hin.
Ein weiterer Vorschlag des Bündnisses „Starke Kinder, starke Zukunft“: weg mit dem Ehegattensplitting. Denn das bezuschusst nicht Familie, sondern den Trauschein. Das Geld soll nach Vorschlag der Initiatorinnen lieber für eine faire Besteuerung von Familien eingesetzt werden. Außerdem machen sie klar: Care Arbeit, also die Pflege von Kindern und Angehörigen verdient mehr politische Anerkennung und Rückhalt. Auch finanziell. Denn:
„Menschen, die Care Arbeit leisten, tappen (…) nicht nur in die Teilzeitfalle, sondern stehen obwohl sie wertvolle Arbeit für und an der Gesellschaft leisten, stets mit einem Fuß in der Altersarmut.“
„Bilden Sie Gemeinschaftskassen für Kita- und Schulausflüge, versuchen Sie einer Verengung ihres Freundeskreises und dem ihrer Kinder aufgrund der materiellen Lebensverhältnisse anderer entgegenzutreten. (…) Wichtig ist: Dabei geht es nicht um Almosen. Helfen Sie ohne milde Gaben, sondern mit Einfühlungsvermögen und Unterstützung der Kinder bei der Umsetzung ihrer ganz konkreten Anliegen.“

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