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„Es kommt ja oft vor, dass Kinder in Taxis geboren werden, weil die Eltern zu spät losgefahren sind, denke ich, und während der Fahrt bin ich mir relativ sicher, dass ich in wenigen Minuten mein Neugeborenes in den Armen halten werde…“ So wie Gast-Mummy Sarahs Geschichte beginnen viele Geburtsstorys – doch wie so oft kam es dann ganz anders. Am Ende waren es ein Zusammenspiel aus Hebamme, Arzt und Saugglocke, aber das lest Ihr am besten selbst…

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„Drei Wochen vor bis zwei Wochen nach dem errechneten Termin ist der normale und gesunde Geburtszeitraum eines Babys“, erklärt mir mein Arzt während einer Vorsorgeuntersuchung. Da mein Charakter sich leider nicht maßgeblich durch Geduld auszeichnet und ich fälschlicherweise davon ausgehe, dass ich diese Eigenschaft auch an mein Kind weitervererben würde, gehe ich also davon aus, dass meine Tochter nicht am 30. September (dem errechneten Termin) kommen würde, sondern etwa um den 10. herum (drei Wochen vor dem errechneten Termin). Sie kommt am 7.Oktober.

Zwar nicht auf heißen Kohlen, aber einer fertig gepackten und mehrmalig optimierten Krankenhaustasche sitzend, erwarte ich sehnsüchtig die Geburt meines ersten Kindes. Ich habe die Schwangerschaft zwar genossen, aber nach zwei vorhergehenden Fehlgeburten war sie auch eine Zeit der Unsicherheit und ich konnte den Moment jetzt endgültig nicht mehr abwarten, mein gesundes Kind in den Armen zu halten und zu wissen, wie sie aussieht, wie sie riecht und was für ein kleiner Mensch sie wohl sein würde. Am Sonntag den 5. Oktober fahren wir zum Check ins Krankenhaus. Nach der Untersuchung und einem EKG versichert mir der Arzt, dass meine Maus noch immer keinerlei Anstalten macht, den mütterlichen Körper mal zu verlassen. Aha. Er ist sich aber relativ sicher, dass sie schon ziemlich groß ist und möchte deshalb am Dienstag die Geburt einleiten. „Na gut“, denke ich. Auf dem Weg nach Hause stellt sich dann ein sehr seltsames Gefühl ein. Am Dienstag kommt mein Kind. Am 7.Oktober wird sie Geburtstag haben. Für immer. Die ganzen letzten Wochen beschäftigte mich die Frage, wann sie endlich rauskommen würde. Jetzt wusste ich es. Um diese seltsame Zwischenzeit richtig zu nutzen, sind wir zum Mittagessen nochmal in ein richtig teures Restaurant gegangen und haben es uns gut gehen lassen. Zu gut, wie ich kurz danach dachte. Leichte Übelkeit und ein seltsamer Schmerz im Bauch begleiteten mich den ganzen Nachmittag. Dass diese Schmerzen mit dem Essen gar nichts zu tun haben, wird mir am späten Abend bewusst, als sich das unangenehme Ziehen immer regelmäßiger einstellt und auch in den unteren Rücken wandert. Im Geburtsvorbereitungskurs hatte ich gelernt, dass man in diesem Fall versuchen solle, nochmal ein paar Stunden zu schlafen. Ich ging stattdessen in die Badewanne (von meinem ungeduldigen Gemüt hatte ich ja schon erzählt). Als die Schmerzen gegen vier Uhr morgens etwa alle 6 Minuten kommen (nach unserer Berechnung), und wirklich schon sehr stark erscheinen (dachte ich), halte ich es nicht mehr aus und entscheide, ins Krankenhaus zu fahren. „Es kommt ja oft vor, dass Kinder in Taxis geboren werden, weil die Eltern zu spät losgefahren sind“, denke ich, und während der Fahrt bin ich mir relativ sicher, dass ich in wenigen Minuten mein Neugeborenes in den Armen halten werde. Dann doch nicht der 7.Oktober, macht ja nichts. 

Im Krankenhaus empfängt uns die erste Hebamme (insgesamt werden es vier werden), eine sehr nette junge Frau, und untersucht direkt meinen Muttermund. „Erst 2 cm“, flötet sie fröhlich, „Sie können ruhig noch einmal nach Hause fahren und etwas schlafen“. Zum Glück kann ich der Hebamme sehr schnell begreiflich machen, dass an Schlaf für mich nicht mehr zu denken ist, und wir dürfen bleiben. Aber Spazierengehen sollen wir. Einverstanden. Draußen ist es noch dunkel und das herbstliche Pankow zeigt sich von seiner ruhigen Seite. Zwei kalte Kaffee aus der Dose an einer Tankstelle stellen an diesem Morgen unser Frühstück dar. Zurück im Krankenhaus empfängt uns eine zweite Hebamme, die Schicht hat gewechselt. Das Verhalten meines Muttermundes leider nicht. 2cm nach wie vor. Toll. Es folgen einige Stunden am EKG die regelmäßige aber nicht sehr starke Wehentätigkeit bescheinigen. „Komisch“, sage ich zu der Hebamme, „die fühlen sich aber schon ganz schön stark an“. „Solange Sie da so sitzen können und reden, sind es auch keine schlimmen Wehen“. Achso. Kurze Zeit später platzt immerhin meine Fruchtblase und Jan und ich schließen Wetten ab, wann die kleine Maus wohl das Licht der Welt erblicken wird. 15.30Uhr sagt er, ich tippt 20Uhr. Der Muttermund sagt 2cm.

Um die Sache voran zu bringen entscheidet sich die Hebamme dazu, meinen Mann nochmal nach Hause zu schicken, mir ein wehenförderndes Mittel zu geben und mich dann bis zum Nachmittag in ein Bett auf die Station zu legen. Auf dem Zimmer schlafe ich tatsächlich für einige Zeit ein. Doch mit dem Aufwachen wird alles anders. Die Wehen, die bisher unangenehm aber erträglich waren, werden plötzlich abgelöst von einer schnellen, unregelmäßigen Abfolge unglaublich starker Schmerzen. Zum Glück kommen Jan und die Hebamme (Nummer drei) kurze Zeit später, um mich wieder in den Kreißsaal zu holen. Jetzt geht es richtig los, denke ich, doch der Muttermund sagt 3cm. Oh nein. Mittlerweile ist es Nachmittag geworden. Zur Entspannung soll ich in die Badewanne gehen. Ich bin skeptisch, weil ich anhand der Instensität der Schmerzen davon ausgehe, innerhalb der nächsten 30 Minuten zu entbinden, egal was der Muttermund sagt. Die Hebamme glaubt das nicht. 

Das Bad in der Entspannungswanne tut mir tatsächlich gut. Zum ersten Mal seit Stunden habe ich trotz der Schmerzen das Gefühl, dass ein wenig Anspannung von mit abfällt. Hebamme Nummer drei ist ein großmütterlicher Typ und schafft es mit gutem Zureden und einem wohltuenden Badezusatz, dass ich mich einigermaßen wohlfühle. Dann verlässt auch sie den Raum und Jan und ich sind für einige Zeit alleine im Raum und können etwas Energie für die bevorstehenden Stunden tanken. Die Wehen kommen jetzt mit starker Intensität, aber regelmäßig. Nach einigen Stunden in der Wanne jedoch werden die Schmerzen wieder zu einer unkontrollierten Abfolge von Wehen, manchmal drei oder vier ohne Pause, so dass ich keine Chance habe, mich zwischen den Wehen zu erholen. So bin ich bei 4cm Muttermund schon völlig erschöpft.

Gegen Abend dürfen wir dann unser Kreißsaalzimmer beziehen. Wo ich mir vorgestellt hatte, in unterschiedlichen, wohltuenden Positionen den Wehenschmerz wegzuatmen, während Jan mir mit einem Igelball den Rücken massiert, liege ich in Wahrheit wimmernd auf dem Bett und muss über den Tropf Wehenhemmer bekommen, um die Wehenflut zu stoppen. So geht es immer weiter: abwechselnd bekomme ich ein wehenförderndes Mittel um die Geburt voran zu bringen und einen Wehenhemmer um den Wehensturm zu unterbrechen. Das läuft so gar nicht nach meinem Plan und diesen Tal von Idas Geburt habe ich auch heute noch als eher traumatisch in Erinnerung. Die Strapazen der letzten Stunden gehen auch an meiner Tochter nicht spurlos vorbei. Ihre Herztöne werden schlechter und der behandelnde Arzt drängt bei Einbruch der Nacht zunehmend auf einen Kaiserschnitt. Die vierte Hebamme, eher so vom spröden Sportlehrerinnentyp, will es aber unbedingt weiter auf natürlichem Weg versuchen, um mir nach dieser schwierigen Geburt wenigstens ein schwieriges Wochenbett zu ersparen. Ich selber bin zu keiner Stellungnahme mehr in der Lage. Um sicher zu gehen, dass sie fit genug ist, den Geburtsvorgang weiterhin durchzustehen, nimmt der Arzt Blut aus dem Köpfchen meines Kindes ab. Die Werte sind ok, aber lange darf die Geburt jetzt nicht mehr dauern. Dies und die Tatsache, dass mein Muttermund sich in der Zwischenzeit dann auch entschieden hat, sich vollständig zu öffnen (12 Stunden eher hätte ich auch nichts dagegen gehabt), veranlassen die Hebamme, jetzt mal ein bisschen Bewegung in die ganze Sache zu bringen. Ich bekomme wieder ein wehenförderndes Mittel und mit der Anleitung der Hebamme bringe ich die Geburt einen großen Schritt weiter. Doch meine kleine Maus will einfach nicht durch den Geburtskanal. Die Hebamme steigt schließlich zu mir aufs Bett und drückt mit ihrem ganzen Körpergewicht auf meinen Bauch, während der Arzt mit der Saugglocke mein Kind auf die Welt holt. 

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Und dann ist sie da. Ida Liese. Mein Ida-Lieschen. Der Arzt legt sie mir sofort auf den Bauch und sie schaut sich mit großen Augen ganz neugierig um in der Welt. Die Hektik der letzten Minuten scheint plötzlich Wochen her zu sein und auch das Durchschneiden der Nabelschnur und das Nähen des Dammschnittes nehme ich wie durch einen Nebelschleier wahr. Ich bin unglaublich erschöpft und unglaublich glücklich. Jan darf zu uns aufs Bett kommen und Hebamme und Arzt verlassen den Raum, um uns Zeit zu geben, uns kennenzulernen. 

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Jetzt ist Ida 15 Monate alt und aus der zeitlichen Entfernung heraus kann ich sagen, es stimmt nicht, was einem versprochen wird. Man vergisst die Strapazen der Geburt nicht sofort wenn das Kind da ist. Die Erinnerung wird immer undeutlicher, aber ganz verschwinden tut sie nicht so schnell. Und auch wenn ich diese Geburt als sehr schwierig in Erinnerung habe und im Nachhinein einige Entscheidungen anders treffen würde, möchte ich die Erinnerung daran nicht missen, weil ich stolz bin darauf, was meine kleine Ida-Maus und ich zusammen geschafft haben.

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Vielen Dank liebe Sarah, für Deine Geschichte und die zauberhaften Bilder!

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Für unsere Serie “The Day that…” freuen wir uns über jede Mummy unter Euch, die einen Gastbeitrag schreiben und ihre Erlebnisse mit uns teilen möchte – Bei Interesse schreibt uns eine Nachricht an: info@mummy-mag.de