Als Jugendliche habe ich das Buch „Die Wolke“ von Gudrun Pausewang gelesen. Bis heute muss ich immer mal wieder daran denken – mit schauderndem Unwohlsein. Für alle, die es nicht kennen, eine kurze Zusammenfassung: Ein Atomkraftwerk geht hoch, dabei verliert ein Mädchen ihre Eltern. Zusammen mit ihrem kleinen Bruder versucht sie, die verstrahlte Zone zu verlassen. Detailliert werden alle Folgen beschrieben, die radioaktive Strahlung mit sich bringt. Krankheiten, Haarausfall – aber auch soziale Umbrüche und Probleme der Nahrungsmittelversorgung. Ich sag mal so: Das Buch ist mir nicht gerade wegen seiner optimistischen Weltsicht in Erinnerung geblieben. Tatsächlich hat es mich sicherlich mit geprägt, bei meinem Weg hin zum politischen Engagement.

Deal? Not any longer.

Anfang Juli hat der Iran damit begonnen, vermehrt Uran anzureichern. Eigentlich bestand seit 2015 ein Atomabkommen, das die Menge an Uran im Land begrenzte, damit der Bau einer Atombombe nicht möglich wäre. Außerdem sollte Iran die Türen für Inspektionen zur Kontrolle offen halten. Im Gegenzug sollten Sanktionen abgebaut und wirtschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht werden. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat „wiederholt bestätigt, dass Iran (…) bisher alle Vorschriften aus den Sicherheitsabkommen (…) sowie die zusätzlichen Maßnahmen für Transparenz (…) einhält.“ (Quelle: www.icanw.de)

Atomkraft ist für mich generell eine verantwortungslose Risikotechnologie – von der unermesslich zerstörenden, inhumanen Kraft von Atomwaffen ganz zu schweigen.

Und dann kam Trump. Er machte deutlich, dass er dem iranischen Regime nicht vertraut und begann damit, die wirtschaftlichen Daumenschrauben wieder anzuziehen. Seine Idee dahinter: wenn Iran wirtschaftlich unter Druck geraten würde, würden sie politisch gefügiger werden. Bislang aber sieht es genau umgekehrt aus: die iranische Führung hat verkündet, dass der Ausstieg der USA aus dem Atomdeal auch für die Urananreicherung Konsequenzen habe. Sie wollen sich nicht länger an den bislang vorgeschriebenen Grenzwert von 3,67 Prozent halten. Die Anreicherung von um die 3 Prozent reicht  zwar für zivile Atomkraftwerke aus, aber nicht für Atomarsprengköpfe, die eine Anreicherung von über 90 Prozent benötigen. Der Iran ist erst einmal gar nicht so anders als viele andere Staaten auch. Alle wollen vorgeblich oder auch wirklich „nur forschen“ (auch Deutschland).

Vor allem für Israel und die Vereinigten Staaten von Amerika ist das jedoch ein rotes Tuch. Israel wird von Iran nicht als eigener Staat anerkannt, sondern lediglich als „besetztes Gebiet“. Mehrfach hat die iranische Führung schon mit der Auslöschung Israels gedroht. Allein deshalb, aber auch aufgrund der langen Leidens- und Verfolgungsgeschichte des jüdischen Volkes kann ich die Angst deshalb gut nachvollziehen, die dort herrscht. Aber auch abgesehen von Israel, das übrigens neben (höchstwahrscheinlich) acht anderen Ländern (USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, China, Pakistan, Nordkorea und Indien) selbst über Atomwaffen verfügt, hat der Iran viele Staaten, „zu denen ein gespanntes bis feindliches“ Verhältnis besteht (Quelle: Wikipedia).

 

Frieden, so lange es Atomwaffen gibt? Schwierig.

Die diplomatische Lage ist verfahren. Viel zerschlagenes Porzellan lähmt den Prozess, wieder auf eine gemeinsame Basis zu kommen und das Abkommen zu retten. Dass Trump nun auch noch seinen Geheimdienstkoordinator Dan Coats entlassen hat, der ihm auch im Iran Kontext mehrfach widersprochen hatte, trägt nicht gerade zur Entspannung der politischen Gemengelage bei. Die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) setzt sich dafür ein, dass Atomwaffen generell verboten werden. Das gilt in ihren Augen auch für die USA, die zusammen mit Russland allein 93 Prozent aller Atomwaffen besitzen. Für ihr internationales Engagement wurde das Bündnis ICAN 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Heute am 6. August jährt sich der Tag, an dem Hiroshima 1945 von der Atombombe „Little Boy“ zerstört wurde. Drei Tage darauf wurde die Stadt Nagasaki von den USA mit einer weiteren Bombe angegriffen. 140.000 Menschen starben allein im ersten Jahr des Abwurfs der Bomben, davon starben 100.000 sofort durch die Explosionen, Feuerstürme, sekundäre Zerstörung und/oder die hohe Strahlung. Fast ausschließlich die Zivilbevölkerung war betroffen. Das unvorstellbare Ausmaß des Leids und der Zerstörung war der Welt bislang ein Mahnmal, keine weiteren Atomwaffen einzusetzen. Trotzdem ist das atomare Wettrüsten in vollem Gange.

Dr. Alex Rosen, Gründungsmitglied von ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen), sagte mir: „Die Bedrohung durch einen Atomkrieg war wohl noch nie so groß wie heute.“

Selbst in Deutschland lagern Atombomben, die als Überreste aus dem Kalten Krieg von den USA in Rheinland-Pfalz untergebracht wurden. Dabei handelt es sich um „etwa 20 Atombomben vom Typ B-61, jede mit einer Sprengkraft von etwa 45-170 Kilotonnen. Zum Vergleich: die Hiroshima-Atombombe hatte eine Sprengkraft von weniger als 15 Kilotonnen.“ (Quelle: atomwaffenA-Z).

Bis zur weltweiten Ächtung und Abschaffung aller Atomwaffen ist es noch ein weiter Weg. ICAN setzt sich dafür ein, es zum international unumstrittenen Konsens zu machen, dass Atomwaffen gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen.

Über Waffen, ganz generell, lässt sich sicher streiten. Aber klar ist: Atomare Bombenabwürfe bedrohen nicht ein einzelnes, strategisches Militär- oder Infrastrukturziel. Atombomben treffen alle, auch und vor allem die Zivilbevölkerung. In meinen Augen ist es doch gar keine Frage, dass sie deshalb mindestens so verwerflich sind, wie beispielsweise biologische und chemische Waffen. Seit 1972 gilt die Biowaffenkonvention: Besitz und Einsatz von biologischen Waffen sind verboten. Dasselbe muss endlich auch mit Atomwaffen passieren, nicht nur im Iran, sondern auch in den neun Ländern, die schon jetzt im Besitz eben dieser sind.

Noch mehr und sehr gute und vertiefte Infos zu Hiroshima und den Folgen findet ihr hier: https://hibakusha-worldwide.org/

Special Thanks für die Beratung und Hintergrundinfos zu diesem Bericht an Dr. Alex Rosen, Gründungsmitglied von ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen) und 1. Vorsitzender von IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.)

Bildquellen: Pixabay

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