MUMMY MAG Erziehung

Gedanken über Erziehung

MUMMY MAG Erziehung

Es ist unbestritten: Kinder müssen erzogen werden. Wer Kinder hat, erzieht sie. Punkt. Man kann gar nicht nicht erziehen. Das Thema Erziehung nimmt einen großen Raum ein, wenn man eine Familie hat. Aber was ist gute Erziehung? Viele Eltern erhalten ungefragt Ratschläge, mal gute und oft schlechte. Wegen unterschiedlicher Erziehungsmethoden haben sich schon gute Freunde total überworfen. Es gibt unzählige Bücher über die richtige Erziehung und sogar einen Studiengang Erziehungswissenschaften – weiß ich zufällig, habe ich nämlich studiert. Seit zehn Jahren berate und unterstütze ich Familien in Fragen der Erziehung als Familienhelferin.

Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg.

Laotse, chinesischer Philosoph (6. Jahrhundert v. Chr.)

Es gibt nicht den einen richtigen Erziehungsstil

Wenn ich eins gelernt habe, dann: Es gibt keine einfache Antwort. Es gibt nicht den einen richtigen Erziehungsstil. Man kann sich nicht ein fertiges Konzept aneignen, und schon läuft alles rund. Leider. Das liegt daran, dass jeder Mensch einzigartig ist, in seiner Persönlichkeit, seinen Gefühlen und seinen Erfahrungen. Und jede Konstellation von Menschen in jeder Situation führt zu unterschiedlichen Entwicklungen. Darum kann ein Erziehungstipp, der mir super gut geholfen hat, dir noch lange nichts bringen.

Aber auch innerhalb einer Familie können die Strategien, die gestern noch erfolgreich waren, heute schon nicht mehr funktionieren. Es kann ganz schön anstrengend sein, wenn wir immer wieder vor neuen Herausforderungen stehen, je älter die Kinder werden. Da gibt es Wachstumsschübe und Trotzphasen, die Wackelzahnpubertät und die oft gefürchtete echte Pubertät. Denn Kinder wachsen und gedeihen. Alles ist im Fluss. Auch wir Eltern entwickeln uns weiter. Eine Familie ist ein dynamisches System, deren Familienmitglieder sich gegenseitig beeinflussen, und zwar immer.

Bindung ist die Grundlage

Eine wesentliche Bedingung für gelingende Erziehung ist die Beziehung, die Erwachsene zu Kindern haben. Nur wenn eine Beziehung besteht, ist Erziehung überhaupt möglich. Zwischen Eltern und ihren Kindern spricht man von Bindung – sie bezeichnet eine enge und von intensiven Gefühlen geprägte Beziehung. Kinder haben ein angeborenes Bedürfnis danach, eine solche enge emotionale Bindung zu ihren Bezugspersonen (allen voran den eigenen Eltern) aufzubauen. Wenn die Grundbedürfnisse eines Babys nach Versorgung, Pflege, Ruhe und Bindung erkannt und erfüllt werden, sind die Grundlagen für eine weitere gelingende Entwicklung und Erziehung gelegt. Man spricht vom Urvertrauen, das Kinder entwickeln, wenn sie in den ersten ein bis drei Jahren gut versorgt werden. Dabei ist das erste Lebensjahr am entscheidendsten. Daran knüpft dann jede weitere Erziehung der Eltern an. Aber wie kann diese gelingen?

MUMMY MAG Erziehung Bindung
Bild von StockSnap auf Pixabay

Erziehung bezeichnet das bewusste und gezielte Einwirken eines Menschen (eines Elternteils) auf die Entwicklung eines anderen (des Kindes). Mitnichten ist sich jedes Elternteil dieser Dimension seines erzieherischen Handelns ständig bewusst. Die Erziehung der Kinder passiert einfach. Es bleibt gar keine Zeit, sich schon morgens beim Fertigmachen für Kita und Schule seines pädagogischen Wirkens bewusst zu werden und sich seine Erziehungsziele immer vor Augen zu halten. Oder? Das ging mir auch nicht anders.

Stell dir doch jetzt einmal die Frage: Welche Erziehungsziele habe ich für mein/e Kind/er? Was ist das Ziel meiner bewussten und gezielten Einflussnahme, also meiner Erziehung? Vorab: Es gibt auch hier keine universelle Lösung.

Festgelegt ist: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 6, Abs. 2). Natürlich gibt es Grenzen, wenn z.B. das Kindeswohl gefährdet wird. Außerdem gibt es in Deutschland die Schulpflicht, an die sich alle Eltern halten müssen. Weitere Einschränkungen der erzieherischen Freiheit der Eltern sind die Religionsmündigkeit von Jugendlichen ab 14 Jahren sowie die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes. Das war es dann aber auch schon.

Darüber hinaus entscheiden die Eltern, welche Ziele sie für ihre Kinder verfolgen: Leistungsbereitschaft, Kreativität, Ordnung, Höflichkeit, Selbstbestimmtheit, kritisches Hinterfragen, Freundlichkeit, Durchsetzungsvermögen, Disziplin, Respekt, Benehmen, Empathie, Fleiß und vieles mehr.

Was sind nun deine Erziehungsziele?

Und warum sind es genau diese? Erziehungsziele unterliegen den gesellschaftlichen Normen und Werten, sie verändern sich im Laufe der Zeit. Viele Eltern legen bei der Erziehung ihrer Kinder intuitiv die gleichen Maßstäbe und Werte an, nach denen sie selbst erzogen wurden. Oder sie entscheiden sich (bewusst oder unbewusst) für komplett gegenteilige Erziehungsziele.

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Bild von John Kovacich von Pexels

Dir über deine Ziele klarzuwerden, versetzt dich noch nicht in erzieherisches Handeln. Dazu bedarf es bewusster Entscheidungen und Methoden im Alltag mit deinen Kindern. Hier ein paar Beispiele:

  • Möchtest du, dass dein Kind eigenständig und selbstsicher ist?
    Lass es am Sonntagmorgen die Brötchen kaufen und fahre es gerade nicht mit dem Auto zur Schule.
  • Möchtest du, dass dein Kind fleißig und diszipliniert ist?
    Lass es ein Musikinstrument lernen und begleite täglich die Hausaufgaben.
  • Möchtest du, dass dein Kind hilfsbereit und freundlich ist?
    Lass es in der Küche helfen und halte es dazu an, „Bitte“ und „Danke“ zu sagen.
  • Möchtest du, dass dein Kind kreativ und frei ist?
    Gib ihm die Möglichkeit, sich zu entfalten und auszuprobieren.
  • Möchtest du, dass dein Kind ordentlich und respektvoll ist?
    Lehre es, sein Zimmer aufzuräumen und die Wünsche anderer (Erwachsener) zu akzeptieren.

Viele Ziele können gleichzeitig oder nebeneinander verfolgt werden. Manche Ziele widersprechen sich jedoch auch, dann gilt es abzuwägen – was ist wichtiger? Widersprüche treten insbesondere in Konfliktsituationen mit dem Kind auf. Denn auch dein Kind hat Vorstellungen davon, wie es bestimmte Dinge in seinem Leben gestalten möchte. Auch schon mit drei Jahren! Wenn sich also dein Ziel der Ordnung im Kinderzimmer mit dem kreativen Ausprobieren deines Kindes widerspricht, kann das zu Streit führen. Wie würde ein solcher Streit bei dir zuhause ausgehen? Was wäre für dich eine gute Lösung in solch einer Situation? Und was wäre für dein Kind eine gute Lösung?

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Bild von Pixabay auf Pexels

Ähnlich problematisch kann es werden, wenn Eltern sich über Erziehungsziele nicht einig sind. Das kommt sogar recht häufig vor, wird natürlich nur dann schwierig, wenn Eltern sich darüber nicht austauschen und einen Konsens (oder wenigstens einen Kompromiss) dazu finden – aber bitte nicht vor dem Kind und nicht in der aktuellen Situation diskutieren. Lieber in dem Moment nachgeben und im Anschluss das klärende Gespräch suchen. Das hört sich anstrengend an – und ist es auch. Aber es lohnt sich, um auf Dauer als Eltern gleichberechtigt präsent zu sein. Denn sonst könnte sich ein Elternteil aus der Erziehung mehr und mehr herausziehen oder es zu einem ungünstigen Gefälle zwischen den Eltern kommen (good cop, bad cop). Spätestens dann müssen sich Eltern sowieso zusammensetzen, denn Kinder nutzen solche Situationen zu ihrem Vorteil und spielen ihre Eltern gegeneinander aus – einfach, weil sie es können.

Kinder wollen erzogen werden

Jedes Kind ist grundsätzlich lernbereit und kooperativ. Es will seinen Eltern gefallen und von ihnen Anerkennung und Aufmerksamkeit erhalten. Doch die kindliche Kooperationsbereitschaft hat ihre Grenzen, die leider oft von Erwachsenen überschritten werden. Natürlich ist auch die Lernbereitschaft je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes unterschiedlich. Wenn du weißt, was du gerade von deinem Kind erwarten kannst oder warum es sich plötzlich so eigenartig verhält, ist das sehr hilfreich. Meist hat das viel mehr mit deinem Kind zu tun als mit dir. Dann brauchst du das Verhalten deines Kindes nicht mehr als Angriff auf deine eigene Person oder als persönliches erzieherisches Versagen wahrzunehmen. Beides kommt durchaus vor, es ist gar nicht mal so selten.

Mir hilft in der Erziehung meiner Söhne, wenn ich mir vorstelle, welche Fähigkeiten sie als Erwachsene haben sollen. Warum erziehe ich eigentlich meine Kinder? Warum setzte ich mich jeden Tag mit ihnen auseinander? Was wünsche ich mir für meine Jungs, wenn sie einmal groß sind?

Wenn sie erwachsen sind, dann sollen sie selbstständig und eigenverantwortlich leben. Sie sollen die Welt kritisch hinterfragen und ihre Meinung mutig und offen vertreten. Ich wünsche mir, dass sie sich nicht an Leistung oder Status messen, sondern aus sich selbst heraus stark und sicher sind. Sie sollen sich ausprobieren und scheitern können, sie sollen erfolgreich sein, aber vor allem glücklich. Und sie sollen mit der Natur respektvoll umgehen und Konflikte fair und friedlich lösen.

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Bild von Arek Socha auf Pixabay

Darauf kommt es mir an. Darum diskutiere ich manche Dinge sehr differenziert mit ihnen und verlange, dass sie Bücher lesen. Darum fördere ich ihre Kreativität und ihr Interesse an der Natur, auch zulasten ihres Medienkonsums. Und auch aus den gleichen Gründen ist es mir relativ egal, wie die Kinderzimmer aussehen, welche Noten es auf dem Zeugnis gibt und ob die Kinder immer schön brav „Guten Tag“ und „Dankeschön“ sagen.

Aber was soll ich sagen? Am Ende sind alle gut überlegten Erziehungsziele nichts wert, wenn wir als Eltern selbst nicht dahinter stehen. Oder wie ein weiser alter Freund von mir sagte: „Erziehung bringt nichts, die Kinder machen uns sowieso alles nach.“ Na, das will ich doch mal hoffen!

Titelbild von Mabel Amber auf Pixabay


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Christine ist Mutter von zwei Teenager-Söhnen und Diplom-Pädagogin. Sie arbeitet als Familienhelferin im Raum Braunschweig/Salzgitter und begleitet benachteiligte Kinder, unterstützt herausfordernde Jugendliche und sucht neue Perspektiven für abgehängte Familien. Ihre Leidenschaft gilt dem Gärtnern, ihrem Hund Nero und noch vielem mehr.

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