Lass uns Freunde sein
In unserem Haus gibt es einen Partyraum. So ganz urig im Stil der 1970er-Jahre, holzvertäfelt, mit Bar und Kamin. Für Partys ist dieser Raum gut geeignet, außerdem bietet er vielfältige Deckung bei Nerf-Gefechten, sodass meine Söhne und ihre Freunde dort früher oft gespielt und getobt haben. Inzwischen hängt der Große mit seinen Freunden in unserem Partyraum nur noch so ab. Am liebsten würde er sie jedes Wochenende einladen.
Und obwohl ich gelegentlich vorbeischaue (ohne Schnittchen), weiß ich nicht wirklich, was die Jugendlichen da oben die ganze Zeit über treiben. Sie hören Musik und spielen Karten, hängen alle nebeneinander an ihren Handys (dank Gastzugang ins heimische WLAN) und quatschen bis tief in die Nacht. Zu Halloween haben sie sich alte Horrorfilme angeschaut. Ich freue mich für meinen Sohn, denn er hat Freunde, eine richtige Clique, seine Gang – und ich bin nur die Mama. Diejenige, die höflich begrüßt und teilweise sogar gesiezt wird. Hallo, bin ich schon sooo alt? Und wann ist das denn passiert?
Wenn es nach meinem Sohn ginge, dann sollte ich mich bitte nicht mit seinen Freunden unterhalten. Das sei doch sehr peinlich! Immerhin kenne ich die meisten noch mit Namen, und wir sind sogar mit manchen Eltern befreundet. Definitiv ein Vorteil des Familienlebens am Stadtrand! Aber schon bald werden sich die Jungs und Mädels nicht mehr bei uns treffen, sondern in die Stadt fahren und dort feiern gehen. Dann erleben sie all das, das wir früher auch getan haben und von dem wir unseren Eltern damals tunlich nichts erzählt haben. Aus Gründen.
Freundschaft im Jugendalter
Je älter Kinder werden, desto größer wird die Bedeutung von Freundschaft für sie. Jugendliche verbringen deutlich mehr Zeit mit ihren Freunden als mit der Familie. Das ist normal und auch für das Erwachsenwerden ganz wichtig. Eltern können das nicht immer gut aushalten.
Manche haben Angst, dass ihr Kind in „schlechte Kreise“ gerät und negativen Einflüssen ausgesetzt wird. Fehlverhalten, pubertäre Provokation oder eine wahrgenommene Distanz wird dann schnell den „falschen Freunden“ zugeordnet. Das allerliebste (eigene) Kind der Welt würde doch so etwas sonst nicht tun, und an der bisherigen (elterlichen) Erziehung kann es wohl auch kaum liegen. Dann versuchen Eltern nicht selten, ihrem Kind den Umgang mit bestimmten Freunden oder das Aufsuchen bestimmter Orte zu verbieten. In den meisten Fällen ist das nicht zielführend. Die Kids finden Wege und Möglichkeiten, sich trotzdem zu vernetzen (digital) und zu treffen (real).
Besser wäre es, mit deinem Kind im Gespräch zu bleiben, deine Unsicherheiten und Sorgen zu benennen und Vereinbarungen mit deinem Kind zu treffen. Wichtig finde ich auch, sich erst einmal wertfrei von seinem Kind erzählen lassen, was es mit wem unternimmt und warum es gern Zeit womit verbringt. Liebe Eltern, hört euren Kindern zu! Geht nicht immer vom Schlimmsten aus, und habt Vertrauen in eure Kinder. Face it: Eltern entscheiden nicht, mit wem ihr Kind befreundet ist.
Freundschaft von Anfang an
Freundschaften sind ein sehr wichtiger Bestandteil des Lebens von Kindern. Schon Babys und Kleinkinder zeigen ein besonderes Interesse an anderen Kindern. Sie können sich natürlich noch nicht selbstständig verabreden oder Freundschaften aktiv aufbauen und vertiefen. Ihr Spiel findet eher nebeneinander als miteinander statt. Dennoch gucken sie sich Verhaltensweisen von anderen Kindern ab, und Babys animieren sich sozusagen gegenseitig zum Lernen. Babyschwimmen, Pekip oder andere Gruppen für Babys sind also nicht nur für Eltern super zum Vernetzen und zum Stärken der Bindung zum eigenen Kind, sondern auch für die Kinder untereinander echt ein Gewinn. Manche Kinder-Freundschaft entsteht bereits in diesen frühen Jahren – zumindest wenn sich auch die dazugehörigen Eltern sympathisch sind und ähnliche Interessen verfolgen.
Leider geht das nicht zwingend im Umkehrschluss: Wenn sich Eltern gut verstehen und miteinander befreundet sind, muss das nicht automatisch bei den jeweiligen Kindern auch der Fall sein. Wie schon gesagt, Freundschaft lässt sich nicht erzwingen. Spätestens im Kindergarten lernen Kinder ganz ohne den Support ihrer Eltern andere Kinder kennen. Sie entwickeln in dieser Zeit ihre sozialen Kompetenzen unglaublich schnell. Sie lernen aneinander und miteinander Konflikte friedlich zu lösen, sich in eine Gruppe einzuordnen, abzuwarten, zu teilen, die eigene Meinung zu vertreten, Gefühle zu benennen und zu regulieren – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Freundschaften entstehen, wenn Kinder gern zusammen spielen und sich gut verstehen, wenn ähnliche Interessen und Vorlieben vorhanden sind. Freundschaften unter Kindergartenkindern werden in der Bau-Ecke, am Kaufmannsladen oder auf dem Spielplatz geschlossen. Weil Spielpartner in der Kita variabel sind, sind es auch die Freundschaften. Wenn Ali gestern noch der beste Freund war, dann ist es heute Sophie, und Ali spielt heute lieber mit Bente. Das ist okay so. Eltern neigen dazu, ihren Kindern zu erklären, mit wem sie gerade befreundet sind. Das ist gar nicht nötig, manchmal ist es für das Kind sogar irritierend. Die Maßstäbe, die wir Erwachsenen an (unsere) Freundschaften legen, gelten nicht automatisch für Kinder.
Freundschaft im Kindesalter verändert sich
Je älter Kinder werden, desto fester werden die freundschaftlichen Bande geknüpft. Gemeinsame Interessen stehen immer noch im Vordergrund, aber zunehmend können auch darüber hinaus Freundschaften bestehen. Je nach Entwicklungsphase sind zeitweise gegengeschlechtliche Freundschaften total out. Dann bleiben Jungen und Mädchen lieber unter sich. Bei meinen Söhnen gab es diese Phasen in der ersten bis dritten Klasse. Da wurden Mädchen nicht zu Kindergeburtstagen eingeladen, auf dem Schulhof wurden die typischen Geschlechterstereotype ausprobiert und von der Gruppe (unbewusst) positiv bestärkt.
Für mich als feministische Mutter war das eine schwere Zeit und ich habe meine Jungs immer dazu ermutigt, diese Rollenklischees zu hinterfragen. Für meine Jungs war das sicher auch eine ziemlich schwere Zeit mit ihrer Mutter. Interessanterweise löste sich die geschlechterübergreifende Freundschaftsaversion zum Ende der Grundschulzeit wie von Zauberhand einfach auf. Die Kinder hatten ihre Gender-Identität gefestigt und konnten sich nun wieder (wie auch schon einmal im Kindergarten) mit Jungen und Mädchen gleichermaßen anfreunden. Okay, im Fußballverein waren nur wenig Mädchen, und von den Jungen gab es keinen, der auch zum Ballett gegangen ist – aber das ist ein anderes Thema.
Freundschaft ist lebenswichtig
Manche Kinder werden bereits im Grundschulalter gefragt, ob sie schon einen festen Freund oder eine feste Freundin haben. Mal ehrlich, was ist das für eine blöde Frage? Freundschaft ist viel mehr, und Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie müssen nicht schon mit 8 oder 10 Jahren in die Denkschemata der Erwachsenen passen. Außerdem ist jeder Mensch mehr als nur Teil einer Partnerschaft, er ist aus sich selbst heraus wertvoll, unabhängig von Freunden. Natürlich ist Freundschaft wichtig, um Zuneigung und Anerkennung zu erleben. Wir sind soziale Wesen, und Freunde sind wichtig für das eigene Selbstwertgefühl. Wer keine Freunde hat, wird einsam und krank. Das gilt auch für Kinder.
Freundschaft im Kindesalter ist eine ernste Angelegenheit, darüber macht man keine Witze. Da sind nämlich Gefühle im Spiel! Wenn Kinder Freunde verlieren, dann schmerzt das. Als meine Kinder klein waren, sind wir in einen anderen Stadtteil gezogen. Der Große, damals 5 Jahre alt, musste seinen Kindergarten wechseln. Für ihn war es das Ende seiner ersten Freundschaften, und es hat Monate gedauert, bis er in der neuen Gruppe angekommen war. Das war eine schwere Zeit! Einige Male haben wir die alten Freunde besucht oder zu uns eingeladen, aber nach und nach wurden die Treffen seltener und hörten irgendwann auf. Sie sind neuen Freundschaften gewichen, die sich bis in die Schulzeit hinein gehalten haben. Mit Schulbeginn und dem Eintritt in den örtlichen Fußballverein kamen weitere Kontakte hinzu, und neue Freundschaften entwickelten sich.
Am nächsten Wochenende kommen wieder sechs bis zehn Jugendliche zu uns nach Hause. Sie wollen einfach so zusammen abhängen, weil sie sich mögen, weil sie Freunde sind.
Titelbild von Pixabay auf pexels.com
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